Paroli

Ist der österreichische Cartellverband ein Bund für das Leben?

Andre* (29) war mehrere Jahre Mitglied einer ÖCV-Verbindung. Nachdem er sein Studium beendet hatte, trat er aus dem Verband aus. Im Interview spricht er über seine persönlichen Erfahrungen mit dem Cartellverband und seinen Mitgliedern.


Wie sind Sie zu Ihrer Verbindung gekommen? 

Als ich mit meinem Studium begonnen habe, hat mich ein etwas älterer Freund mit auf die Bude seiner Verbindung genommen. Wir haben dort Fußball geschaut, Bier getrunken und Feste gefeiert. Irgendwann haben mich die Leute dann gefragt, ob ich nicht auch Mitglied werden will. Da ich ohnehin viel Zeit dort verbracht habe, hielt ich es für eine gute Idee.

Wie sah der Verbindungsalltag aus?

Anfänglich war ich mehrmals pro Woche auf unserer Bude. In meiner Probezeit musste ich auch die obligatorischen Aufgaben übernehmen. Als Neuer wird man natürlich schon eingespannt und muss viel Zeit investieren. Zusätzlich zu den regelmäßigen offiziellen Veranstaltungen habe ich einfach so viel Zeit dort verbracht, weil immer wer da war, mit dem man sich unterhalten kann.

Hatten Sie dabei auch viel Kontakt zu Alten Herren?

Die waren meist nur bei den Veranstaltungen anwesend, aber da kommt man natürlich sehr leicht ins Gespräch. In meiner Verbindung waren einige bekannte Menschen aus der Kirche und der Politik Mitglieder. Solche Leute einfach zu duzen ist am Anfang etwas seltsam, wird aber schnell zur Normalität und kann ab und an auch recht hilfreich sein. 

Wobei kann dieser Umgang auf Augenhöhe dienlich sein?

Wie gesagt, man kommt sehr leicht ins Gespräch. Dabei spricht man natürlich auch über das Studium, die Arbeit und ähnliche Dinge.

Kann es helfen, wenn es darum geht, einen Job zu bekommen? 

Das ist schwierig zu sagen. Ich habe Gespräche mitbekommen, bei denen Alte Herren darum gebeten wurden, dass sie doch einen Praktikumsplatz ermöglichen sollen oder sie gefragt wurden, ob man ihnen eventuell Bewerbungsunterlagen zuschicken kann - das ja. Ob es etwas gebracht hat oder nicht, kann ich nicht beurteilen.

Waren Sie selbst Teil solcher Gespräche?

Nein, das war nie meine Intention, weshalb ich zu meiner Verbindung gekommen bin. Mich hat dieser Aspekt, das Netzwerken und Socializen, nie interessiert. Ich wollte Zeit mit Menschen verbringen, die ich mag und die in vielen Bereichen die gleichen Einstellungen wie ich selbst habe.  

Warum sind Sie dann aus der Verbindung ausgetreten?

Der Freund, der mich zum Cartellverband gebracht hat, ist ins Ausland gegangen. Er ist zwar noch Mitglied der Verbindung, aber de facto nie mehr anwesend. Auch andere Leute, mit denen ich mich gut verstanden habe, sind nicht mehr oft dort. Mit anderen Menschen in der Verbindung verstehe ich mich nicht mehr so gut wie damals - man hat sich halt auseinandergelebt. Deswegen gab es für mich auch keinen wirklich Grund mehr Teil der Verbindung zu bleiben.

Der ÖCV versteht sich selbst als Lebensbund. War der Austritt schwierig? 

Natürlich wurde ich mit Fragen gelöchert, warum ich denn die Verbindung verlasse. Anfänglich hat man auch versucht, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Aber eigentlich hat es recht reibungslos funktioniert. Wenn ich heute ehemalige Bundesbrüder sehe, grüßen wir uns kurz und das war es.

 

Der aktuelle Teil der großen ÖCV-Geschichte jetzt auf derStandard.at.

 

*Der Interviewpartner will anonym bleiben, deswegen wurde der Name von der Redaktion geändert.


  • © Lukas David Wagner