Paroli
Was Gott verbindet: Die Liebesehe zwischen Kirche und Cartellverband
Cartellverband und Kirche stehen sich personell und gesellschaftspolitisch nah. Fast alle Diözesanbischöfe sind zumindest Ehrenmitglieder.
Das Prinzip religio wird nicht von ungefähr unter den vier Grundsätzen des Cartellverbandes als erstes genannt. Schon in der Gründungsphase der christlichen Verbindungen war die christliche Religion katholischer Prägung neben der Habsburgtreue das Hauptabgrenzungsmerkmal gegenüber den deutschnationalen, damals stellenweise noch liberalen Burschenschaften, die sich durchwegs als kirchenkritisch oder sogar als „Pfaffenfresser“ generierten. Aus diesem Spannungsverhältnis erklärt sich nicht nur das Befremden, das Auftritte des mit Kreuz bewaffneten FPÖ-Chefs Strache bei seinen schlagenden Kameraden ausgelöst haben, sondern auch die Tatsache, dass noch heute acht von 15 Mitgliedern der österreichischen Bischofskonferenz Mitglieder in ÖCV-Verbindungen sind.
Ehrenmitglieder
Bis auf jene von Militärbischof Christian Werner handelt es sich dabei ausschließlich um Ehrenmitgliedschaften, was sie vordergründig als weniger wichtig erscheinen lässt. Dass der Salzburger Erzbischof Franz Lackner, der Bischof von Graz-Seckau Egon Kapellari, der Bischof von St. Pölten Klaus Küng, der Bischof von Innsbruck Manfred Scheuer und der Erzbischof von Wien Christoph Kardinal Schönborn bereit sind, solche Mitgliedschaften anzunehmen, ohne selbst als Studenten jemals am Budenleben teilgenommen zu haben, zeigt aber auch die nach wie vor tiefe Verbundenheit zwischen Kirche und Cartellverband. Dass selbst der Apostolische Nuntius Erzbischof Peter Zurbriggen ehrenhalber in die Leopoldina Innsbruck aufgenommen wurde, ist sicher ebenso keine reine Höflichkeitsgeste. Zurbriggen ist als Botschafter des Heiligen Stuhls in Österreich der Doyen des diplomatischen Korps und das kirchenpolitische Bindeglied zwischen Rom und Wien. Bei Bischofsernennungen kommt ihm ein enormes Gewicht zu, ist er doch derjenige, der im Auftrag der römischen Kurie die Vorschlagsliste mit geeigneten Kandidaten erstellt. Für eine katholische Studentenverbindung kann es vorteilhaft sein so eine Persönlichkeit für sich zu gewinnen. Nicht umsonst nehmen im unteren Bereich der klerikalen Hierarchie die Ehrenmitgliedschaften im Cartellverband rasch ab: So wurden beispielsweise nur zwei Generalvikare, gewissermaßen Stellvertreter der Bischöfe, honoris causa in ÖCV-Verbindungen aufgenommen. Die scheinbar strategische Verleihung von Ehrenmitgliedschaften an kirchliche Würdenträger zeigt: Die Verbindung zwischen ÖVC und Kirche geht über rein sakrale Belange wie den Besuch von Messen oder Fahnenweihen hinaus.
Letzte Bastion
Der Cartellverband bindet den Klerus nicht nur in sein Zeremoniell ein, sondern vertritt auch die katholischen Wertvorstellungen mitunter vorbehaltlos. Mit voller Selbstverständlichkeit berichtet etwa die Homepage des Verbandes über Tagungen der Österreichischen Bischofskonferenz „unter dem Vorsitz von Cartellbruder Kardinal Dr. Christoph Schönborn (Rhaeto-Danubia)“ und ihren Beschlüssen zum „Embryonenschutz“, als handle es sich um ÖCV-Kneipen. Dementsprechend werden auch Bischöfe zu Verbandsversammlungen eingeladen. So ließ sich die Kirche 2011 durch „Seine Exzellenz Diözesanbischof DDr. Klaus Küng“ repräsentieren, der neben den Vertretern der Prinzipien patria, in Person von Ex-Verteidigungsminister Robert Lichal, und sciencia, „Seine Magnifizenz Univ.-Prof. DI. Dr. Hans Sünkel“, als Diskussionspartner zum Thema „Gott. Wissenschaft. Einheit oder Widerspruch?“ auftrat. Die Allianz zwischen dem ÖCV und den Bischöfen kann als eine der letzten Bastionen des politischen Katholizismus gesehen werden, durch den die Kirche versucht, abseits von Hirtenbriefen und Enzykliken Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen. Die etwa 12.500 Verbandsmitglieder sind durch das Prinzip religio angehalten, gesellschaftspolitische Fragen wie Scheidung oder Abtreibung im Sinne der kirchlichen Lehre zu beantworten.
Der Cartellverband dient so mitunter als politischer Mittler für die katholische Sache. Über ihn können religiös motivierte politische Botschaften kommuniziert werden, ohne dass sich die Kirche selbst ins Kreuzfeuer stellen müsste. Ein konkretes Beispiel dieses Zusammenwirkens zwischen Kirche und Verband findet sich in den Materialien des Österreich-Konvents, der zwischen 2003 und 2005 erfolglos versuchte eine neue österreichische Verfassung auszuarbeiten. Die Positionspapiere, die der Cartellverband und die Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände (AKV) einreichten, waren dabei in weiten Teilen inhaltlich deckungs-, oft sogar wortgleich. Sie forderten beispielsweise beide eine Präambel zur Bundesverfassung ein, die „im Bewusstsein der Verantwortung des Menschen vor den Mitmenschen, dem eigenen Gewissen und letztlich Gott als dem Schöpfer allen Lebens, sowie in Treue zum Erbe und zur Identität der europäischen Kultur, die wesentlich durch die Werte des Christentums geprägt wurde...“ verkündet werden sollte. In einem entscheidenden Punkt ging der Verfassungsvorschlag des ÖCV aber inhaltlich weiter als jener der kirchlichen Verbände. Diese forderten zwar ein Ende der embryonalen Stammzellenforschung, aber nur der Cartellverband sprach sich dezidiert für ein de-facto Abtreibungsverbot im Verfassungsrang aus: „Abtreibungen ohne Indikation sind verboten. Eine bloß soziale oder rein eugenische (nicht medizinische) Indikation ist unzulässig.“ Die folgende öffentliche Debatte wurde dann auch weitestgehend vom ÖCV bestritten, während sich die Kirche im Hintergrund hielt.
Orden im CV
Insgesamt ist die Zahl an Verbindungsmitgliedern in Kirchenkreisen eher gering. Es finden sich etwas über 300 Mitarbeiter der Kirche, Laien, Ordensleute und Priester, in der Datenbank des ÖCV. Die wichtigsten Verbindungen bestehen durch die Verleihung von Ehrenmitgliedschaften an prominente Vertreter des Klerus, zu denen auch die Äbte von Admont und Heiligenkreuz zählen. Insgesamt führen unter den katholischen Orden die Benediktiner mit 21 CVern, gefolgt von den Zisterziensern (18), den Augustiner Chorherren (17) und abgeschlagen, aber doch etwas verwunderlich – den Franziskanern (8). Dominikaner und Jesuiten haben jeweils nur sechs Verbindungs-Mitglieder in ihren Reihen. Bei den Diözesen und Erzdiözesen führt Wien mit Abstand bei den Mitarbeitern mit ÖCV-Angehörigkeit (25), gefolgt von Graz-Seckau (9) und Innsbruck (9). Eher abgeschlagen bleiben die Diözese Linz und die Militärdiözese mit je vier, sowie die übrigen Diözesen mit je drei bzw. zwei (Gurk) CVern.
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