Reportage
In enger Nachbarschaft
Estland und Russland stehen seit Jahrhunderten in einem angespannten Verhältnis. Immer wieder wurde Estland vom übermächtigen Nachbarn besetzt. Zudem gehört rund ein Viertel der estnischen Bevölkerung der russischsprachigen Minderheit an – dies verschärft die Situation.
Hervorgegangen ist das heutige Estland aus der ehemaligen, zum russischen Reich gehörigen Ostseeprovinz Gouvernement Estland. Mit der Oktoberrevolution 1918 erlangte das Land seine Unabhängigkeit. Diese sollte nur wenige Jahre halten: Bereits 1940 wird Estland von der Sowjetunion annektiert. Ein Jahr später wird das Land von Nazi-Deutschland besetzt, bevor es 1944 wieder Teil der Sowjetunion wird.Bis zum Zusammenbruch des Riesenreichs werden gezielt Russen in Estland angesiedelt – bis heute gehört jeder vierte Bewohner Estlands der russischsprachigen Minderheit an. Ein Umstand, welcher die estnische Gesellschaft spaltet. 2007 kommt es sogar zu gewalttätigen Auseinandersetzungen im baltischen Staat. Spätestens seit der Annektion der Krim durch Russland rückt die gespannte Situation in Estland wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit.
Lasnamäe ist der bevölkerungsreichste Stadtteil der estnischen Hauptstadt Tallinn. Ein Großteil der Einwohner gehört zur russischsprachigen Minderheit. So auch die pensionierte Lehrerin Galina.
Ganz anders als im Westen des Landes leben in den östlichen Gebieten Estlands mehr Russen als Esten. Aleksander Dusmann arbeitet für ein Integrationszentrum, das es sich zum Ziel gesetzt hat, das Verhältnis zwischen Esten und Russen zu verbessern.
Am östlichen und westlichen Ufer des Flusses Narav stehen sich seit Jahrhunderten zwei mächtige Burgen gegenüber – ein Stein gewordenes Zeugnis des historisch angespannten Verhältnisses zwischen Russland und Estland. Slava Konovalov, der direkt in Narva aufgewachsen ist, erzählt über den Alltag und das Leben mit und an der Grenze.
Nicht nur im Osten Estlands findet man Regionen, die von Russen dominiert werden. Auch in dem kleinen Hafenstädtchen Paldiski, rund 50 Kilometer westlich von Tallinn, leben mehr Russen als Esten. Dies hängt mit der Bewegten Geschichte des Ortes zusammen, wie Riina Kangro erzählt.