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Abschied von treuen Begleitern

Seit 2011 gibt es den Wiener Tierfriedhof. Er ist einer von vielen in Österreich, deren Angebot eine deutliche Nachfrage stillt. Eine Reportage über einen Ort der Trauer und des Trosts, über 6000€-Gräber und den Himmel für Tiere.


Ein Friedhof der etwas anderen Art

Haltestelle Zentralfriedhof, Tor 2. Die Sonne scheint, es ist einer der ersten wärmeren Tage im Mai. Rechts von der Haltestelle thront der prunkvolle Eingang zum Zentralfriedhof, links liegt nur eine unscheinbare Seitenstraße. An deren Ende befindet sich ein anderer, etwas versteckter Friedhof der Stadt: Der Wiener Tierfriedhof.

Bevor man den ersten Schritt aufs Gelände des Tierfriedhofs setzt, wirkt dieses wie jenes eines ganz gewöhnlichen Friedhofs. Menschen verschiedenster Altersgruppen sitzen vor Gräbern und trauern. Ein junger Mann im Anzug, eine alte Frau – für Personen aller Art ist dies offensichtlich ein Ort der Andacht.

„Schön oder?“, fragt ein junger Mann, der neugierige Besucher gekonnt auf den ersten Blick von trauernden unterscheiden kann. Auch unsere Kamera scheint ich nicht zu stören, während er ein Grab pflegt. Sein Hund nimmt die Umgebung neugierig schnüffelnd wahr. „Das ist meiner”, erklärt der Mann ehe er lacht: „Der wird wohl auch mal hier liegen, aber bis dahin ist ja hoffentlich noch etwas Zeit.“

Wenn man sich genauer umsieht, sieht man viele liebevoll geschmückte Gräber. Kleine Hundestatuen, Erinnerungsfotos und gepflegte Blumenbeete. Jeder grüßt hier den anderen – an diesem Ort der Trauer herrscht nahezu eine familiäre Stimmung.

Auch eine ältere Dame erzählt offen, wenn auch wehmütig von ihrem verstorbenen Haustier. Als sie am liebevoll gestalteten Grab zu sprechen beginnt, werden ihre Augen glasig. Vor fast 20 Jahren ist die Dame mit ihrem Hund aus Südamerika eingewandert – ebenso lange hat ihr Haustier sie durchs Leben begleitet, ehe sie vor einem Jahr Abschied nehmen musste. Nun besucht sie regelmäßig dessen letzte Ruhestätte. „Treue Begleiter verdienen einen Abschied in Würde“ – so lautet auch der Leitsatz des Friedhofs.

Der Alltag am Tierfriedhof

Doch wie sieht das alltägliche Geschehen abseits der Trauernden auf dem Tierfriedhof Wien aus? Diese Frage kann niemand besser als Hermann Hahner beantworten, der seit 2011 als Geschäftsleiter den Tierfriedhof betreut. Dicke, graue Wolken hängen an diesem Tag über dem Friedhof – ganz anders als noch kurze Zeit davor. Mit deutlichem Wiener Akzent grüßt Hahner, ehe er umgehend die Aufbahrungshalle des Tierfriedhofs präsentiert. „Der Ablauf eine Tierbeerdigung ist der eines Menschen sehr ähnlich“, meint Hahner, der in diesem Berufsfeld nahezu sein ganzes Leben lang gearbeitet hat.

Während der Job als Bestatter für viele eine kaum angedachte Berufssparte darstellt, ist er für ihn seit jeher Teil seines Lebens. Insgesamt 38 Jahre lang war Hahner für die Friedhöfe in Wien zuständig – seit mittlerweile acht Jahren ist er ausschließlich für den Tierfriedhof zuständig. „Wir haben hier 152 Pflegegräber, die betreut werden müssen“, erklärt Hahner. Die Zahl der Gräber steigt merklich an: Ungefähr 15 Bestattungen betreut Hahner monatlich. Als es schließlich zu regnen beginnt, führt uns der Friedhofswärter in sein kleines Büro.

“Wenn ein Tier stirbt, ob Zuhause oder beim Tierarzt, dann bringen sie uns das Tier selbst oder wir holen es ab”, schildert Hahner das anfängliche Prozedere einer Bestattung. Der Tierfriedhof Wien verfügt hierbei über einen eigenen Abholservice, um es schließlich in einer Kühlkammer bis zur endgültigen Bestattung verwahren zu können. In der Zwischenzeit sucht der Kunde das gewünschte Grab aus. Größe sowie gestaltung können hierbei stark variieren, am beliebtesten sind Rasen- oder Marmorgräber." Fünf bis sieben Tage nach dem Sterbedatum ist dann der Termin für die Beisetzung.” Hahner erörtert den für viele Trauernden schwierigen Ablauf mit ruhiger Stimme. Die Routine spricht dabei aus seinen Worten.  

Abschied und letzte Ruhestätte

So unterschiedlich wie die Haustiere sind auch ihre Besitzer. Besonders die Gestaltung des Begräbnisses ist von den individuellen Wünschen der Trauernden geprägt: Während einige einen klassischen Abschied im Beiwohnen eines Priesters wählen, sind weniger konservativ gestaltete Anlässe mittlerweile ebenso häufig. „Manche lassen lieber Luftballone steigen oder einen Sänger auftreten“, erklärt Hahner.

Nicht nur am Aufwand des Begräbnisses, sondern auch an der verbrachten Zeit am Tierfriedhof lässt sich die Liebe der Besitzer zu ihren Haustieren feststellen. Die meisten Besitzer besuchen das Grab ihrer langjährigen Begleiter ein- bis zweimal täglich. „Ein Besitzer verbringt zweimal am Tag zwei Stunden beim Grab seines Hundes. Es ist unser Teuerstes und hat 6000 Euro gekostet."

Grundsätzlich können sich die Haustierbesitzer für drei verschiedene Gräbergrößen entscheiden. Die kleinsten Grabstätten kosten für zwei Jahre inklusive Beerdigung 260 Euro. Mittlere Gräber, für Tiere bis zu 40 Kilogramm, werden für 5 Jahre vergeben und kosten 540 Euro, große für denselben zeitraum indes 650 Euro. 

Wieso sich aber überhaupt für einen Tierfriedhof entscheiden? Kann man sein Haustier nicht einfach im Garten begraben? Diese Frage lässt sich nicht so leicht beantworten. Grundsätzlich sind HalterInnen verpflichtet, verstorbene Tiere an eine zugelassene Einrichtung abzuliefern. Dazu zählen beispielsweise Sammelstellen in den Gemeinden, Tierfriedhöfe und -krematorien. In der Tierverwertung wird aus den Haustieren unter anderem Tiermehl und Tierfett gemacht. Damit sind nicht alle BesitzerInnen einverstanden.

Die Beisetzung von einzelnen Haustieren (Hunden, Katzen und Kleintieren) am eigenen Grundstück ist zwar gestattet, wird aber durch Verordnungen in den Bundesländern eingeschränkt oder verboten. In Wien darf man sein Tier beispielsweise am eigenen Grund begraben, wenn es sich um kein Nutztier handelt und keine Seuchengefahr besteht. Die genauen Regelungen für das jeweilige Bundesland, die einen legalen Abschied garantieren, erfährt man auf Nachfrage bei den Gemeinden und Magistraten.

Die Tierfriedhöfe in Österreich

Der Tierfriedhof Wien ist nicht der einzige seiner Art in Österreich. Insgesamt gibt es 14 Friedhöfe für die tierischen Freunde im Burgenland, Wien, Niederösterreich, Oberösterreich, Kärnten und der Steiermark. Aber nicht alle Tierfriedhöfe bieten dieselben Beisetzungsmöglichkeiten. Unterscheiden kann man die Friedhöfe anhand der Art der Bestattung. Neben der Erdbestattung, wo die sterblichen Überreste der Tiere begraben und der Urnenbestattung, wo jene in Urnen am Friedhof aufbewahrt werden, gibt es noch eine weitere Möglichkeit. 

Wenn die beiden anderen Bestattungsarten der Beziehung zum Tier nämlich nicht gerecht werden, können sich BesitzerInnen auch für einen Mensch-Tier-Friedhof entscheiden. Dort können sich BesitzerInnen neben ihrem Haustier begraben lassen. Von dieser Sorte gibt es nur zwei in Österreich, einmal in Wien und einmal in der Steiermark. 

Ein Himmel für Haustiere

Viele BesitzerInnen sprechen nach dem Abschied von ihrem Tier immer wieder von der sogenannte Regenbogenbrücke. Der Glaube daran besagt, sie sei die Verbindung über die verstorbene Haustiere ins Jenseits schreiten. Dort im Himmel für Haustiere mangle es den geliebten Tieren an nichts. Futter, Wasser und Auslauf im Überfluss, nur ihr Mensch fehle ihnen. Aber irgendwann könne einjedeR TierbesitzerIn selbst über die Regenbogenbrücke gehen und sein/ihr geliebtes Tier wieder in den Arm nehmen, so das Happy End der tröstenden Geschichte. Der Glaube an ein Leben nach dem Tod für ihre Haustiere, erfüllt die trauernden BesitzerInnen mit Hoffnung auf ein Wiedersehen.

Auf die Frage, ob Hermann Hahner selbst an einen Himmel für Tiere glaubt und ihm die Regenbogenbrücke etwas sage, reagiert er zuerst nachdenklich, dann schmunzelnd mit einem Schulterzucken. “Glauben? Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es ja wirklich so, dass das Tier über der Regenbogenbrücke beim Herrn da oben wartet. Das kann ich nicht beantworten.” 

Muss er auch gar nicht. Die Antwort auf die Frage steht jedeR BesitzerIn frei. Bis man einander wiedersieht, bleibt jedenfalls die Erinnerung. Der Tierfriedhof Wien hilft solange beim Erinnern.