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Die Yuppisierung des Yppenplatzes

Der Yppenplatz boomt. Die Gegend wird bunter, die Marktstraße der Brunnengasse voller und der Wohnungsmarkt knapper. Was treibt die Menschen in das Viertel und wie verändert es sich?


Der Yppenplatz liegt,umringt von Wohnhäusern, im 16. Wiener Gemeindebezirk Ottakring. Von ihm aus verläuft der längste Straßenmarkt Europas, der Brunnenmarkt. Hier werden täglich außer sonn- und feiertags Gewürze, Fisch, Fleisch, Gemüse und Spezialitäten der arabischen Küche angeboten und ein bunter Mix an Nationalitäten und Sprachen füllen den Markt. Am Yppenplatz finden sich alte und neue Lokale: Das Café C.I. ist so alt wie der Platz selbst, während das Café Frida nebenan seine Pforten erst 2017 eröffnet hat. Edle Konfitüren neben türkischer Hausmannskost, Weinbars und ein ehemaliger Waschsalon, der zum Lokal umgebaut wurde: Am Yppenplatz vermischt sich einiges.

 „Die Melange aus unterschiedlichen Kulturen und sozialen Schichten ist das Besondere des Viertels.“ betont auch der Bezirksvorstand Ottakring. „Während die StandbetreiberInnen und BesucherInnen des Marktes eher einer migrantischen Bevölkerung zugeordnet werden können, dient der Yppenplatz mit seinen vielfältigen Lokalen vorwiegend einem jungendlichen Publikum. Für den Bezirk ist das Brunnenviertel zu einem der lebendigsten Quartiere der Gesamtstadt geworden.“

Der Fall und die Wiederauferstehung des Yppenviertels 

Nicht immer war das Yppenviertel das, was es heute ist. Der Bezirksvorstand erzählt uns, wie 2001 der Markt vorm Zusperren war, das Viertel einem kumulativen Verfallsprozess ausgesetzt war und alle Beteiligten Veränderung wollten. 

Um den Wünschen aller gerecht zu werden, fand 2003/2004 ein Beteiligungsverfahren statt. „Mit der Umsetzung des von Herrn Bezirksvorsteher Franz Prokop vorgegebenen 
10 Punkte-Programmes, dass von der Aufwertung des Marktes, über eine Sanierungsoffensive, bis zu sichtbaren Gestaltungseingriffen im öffentlichen Raum und radikaler Verkehrsmaßnahmen reichte, gelang es in einem Zeitraum von 7 Jahren das Brunnenviertel nachhaltig aufzuwerten.“ sagt der Bezirksvorstand. 

Und tatsächlich: der „Aufwertungsprozess Yppenviertel“ 2010 trägt Früchte. Zahlreiche Maßnahmen wie die Errichtung der Fußgängerzone, öffentliche Verweilzonen, verbesserte Wohnungsstandards oder die Wiederbelebung der leerstehenden Gebäude des ehemaligen Großmarktes führten dazu, „dass das Viertel in den Köpfen der StadtbewohnerInnen ein gänzlich neues Image erfahren hat.“

Diese Entwicklung soll auch in Zukunft verfolgt werden. Sowohl kleinere Maßnahmen wie das Pflanzen von Bäumen als auch der Umbau und Neugestaltung der Neulerchenfelder Straße sind in Planung. 

Problem der Gentrifizierung 

Aydin, der von seinen Freunden Franzi genannt wird, verkauft seit Kurzem an seinem eigenen Stand Fleischspezialitäten. Er sagt, der Brunnenmarkt habe sich verändert: „Die Leute haben jetzt einfach weniger Geld.“ Das bestätigt auch eine Rentnerin, die den Brunnenmarkt regelmäßig besucht: „Hier gibt es mehr Armut als in anderen Bezirken. In den letzten 10 Jahren sind es hier viel mehr Menschen geworden. Besonders in der Brunnengasse ist es ein multikulturelles Publikum, während der Yppenplatz im vollen Gang urbanisiert wird.“

„Man muss es schon mögen hier“, sagt auch Jenni, eine Anwohnerin. Ihre Wohnung liegt direkt über dem Café C.I. mit Blick auf den Yppenplatz. „Es ist schon sehr laut tagsüber. Als Schichtarbeiter*in könnte man hier wohl nicht wohnen.“ Das Wohnen in dem Viertel hat dennoch Vorteile: Die Mieten sind günstig, die Anbindung ist gut und alles, was man zum täglichen Leben braucht, liegt in unmittelbarer Entfernung. „Es wird viel gemacht, um die Gegend attraktiver zu gestalten“, bemerkt die Anwohnerin. Ein neuer Skatepark und Tischtennisplatten zum Beispiel. Oder die Wände, die von Jugendlichen mit buntem Graffiti besprüht werden dürfen. 

Die (bisher) günstigen Mieten liegen sicherlich vor allem daran, dass die meisten Häuser bis jetzt noch nicht renoviert wurden. Schon seit Jahrzenten haben sich hier vor allem Migrant*innen niedergelassen. Die Anwohnerin meint, es seien vor allem Familien, die hier zuziehen. Die Marktbesucherin erkennt hingegen vor allem ältere Menschen. Wahrscheinlich ist es genau dieser Mix, der die Gegend nun auch für Student*innen immer populärer macht: „Es ist locker hier, aber nicht asozial. Ich fühle mich hier auch immer sicher, alles ist gut beleuchtet und überschaubar. Ich wurde noch nie blöd angemacht oder so. Außerdem ist es sehr sauber, der Markt wird täglich gereinigt.“

Doch die Mieten steigen in letzter Zeit: „Der Yppenplatz wird durch die vielen neuen Lokale aufgewertet“, sagt Mischa. Seit 1999 betreibt er eine kleine Trafik mitten auf dem Yppenplatz. „Im Grätzel haben sich alle gut zusammengefunden. Junge und Alte und alle neichen Leid!“ Die „neichen Leid“ sind die Migrant*innen, deren Geschäfte auch einen Großteil des Marktes ausmachen. „Ich finde das super“, sagt Jenni. „Hier kann man auch nachts noch Döner essen, es ist immer was los und die Preise sind unschlagbar günstig.“ 

Doch auch dieses multikulturelle Treiben hat Nachteile, findet die Anwohnerin. „Viele Student*innen, die jetzt hier hinziehen, genießen nur das ausländische Flair, ohne wirklich etwas beizutragen oder die Angebote zu nutzen. Sie trinken dann doch lieber ihren überteuerten Kaffee im Hipster-Lokal. Da gilt das Prinzip ‚nur gucken, nicht anfassen‘. Das finde ich schade.“

Auch der Bezirksvorstand muss sich trotz des Booms mit den Problemen der Gentrifizierung auseinandersetzen. Die tatsächliche Veränderung sei aber nur geringfügig, beteuert der Bezirksvorstand Ottakring. Der Zuzug einer am urbanen Leben interessierten Bevölkerung betreffe vor allem die neu ausgebauten Dachgeschosse, einige sanierte Gründerzeithäuser und Neubauten.Das allgemeine Problem der Mietpreise sei auf Grund des Wachstums der Stadt und die Nachfrage auf Wohnungen in der Bestandsstadt über den gesamten Althausbestand gegeben, im Brunnenviertel genauso, wie in den angrenzenden Bezirksteilen. 

  • Trafikant Mischa und Fleischhändler Aydin mit einem Mitarbeiter an ihren Arbeitsplätzen

Migrant*innen werden aber auch von den kulturellen Angeboten des Yppenplatzes nicht explizit eingebunden,meint die Rentnerin, die den Yppenplatz regelmäßig besucht. Bei einer der Veranstaltungen fallen vor allem Österreicher*innen mit politischen und philosophischen Büchern auf, die dort vorgestellt werden. Nicht besonders einladend also, wenn man kaum oder gar kein Deutsch spricht. „Die Gefahr ist, dass es ein Konsumtempel mit Eventcharakter wird“, findet sie. Es sei kein Wunder, „wenn sich da Parallelgruppen bilden.“ 

„Früher haben alle Marlboro geraucht, jetzt verkaufe ich mehr Naturzigaretten. Auch daran erkennt man den Unterschied!“, erzählt Mischa, der auf die zunehmenden jungen Leute im Viertel anspricht - „Bobos“ wie er sagt. Schmäh führen kann er mit allen gut: Seine Kund*innen bedient er auf 10 verschiedenen Sprachen. „Wichtig sind Wörter wie Servus, Bitte, Danke, langsam und geh scheißen. Dann wissen die Leid, man kann mit mir reden!“  Am jetzigen Zustand des Yppenviertels will er nichts ändern: „Hier haben sich alle lieb.“ 

Neben dem Brunnenmarkt gibt es in Wien noch eine Menge verschiedener Märkte, die unterschiedlichste Bedürfnisse decken. 
Ob traditionelle Urgesteine oder Hipster-taugliche „urban markets“ – Hier einige der beliebtesten Märkte der WienerInnen: