aus dem Sinn

Bahrain: Unbeachtet von der Welt

Knapp ein Jahr ist es her, dass die brutale Niederschlagung der Aufstände das kleine Königreich im Golf ins Licht der weltweiten Aufmerksamkeit rückte. Doch die Proteste begannen lange vor dem Arabischen Frühling und dauern immer noch an. Über die Hintergründe des Konflikts, strategische Interessen und die geringe Aufmerksamkeit der Medien für Bahrain.


14. Februar 2011
Demonstrationen starten in und um die Hauptstadt Manama, ein Toter

15.-17. Februar 2011
Demonstranten besetzen Pearl Roundabout Polizei attackiert dort 6000 Demonstranten. 5 Tote und mindestens 250 Verletzte. Oppositionspartei Al-Wefaq schließt sich Protesten an

10. März 2011
Golfkooperationsrat stellt 20 Mrd. Dollar für Bahrain und Oman bereit, für Wohnungsbau und Infrastruktur, laufend auf zehn Jahre

14. März 2011
Einmarsch der Truppen aus Saudi Arabien (1200) und den Vereinigten Arabischen Emiraten (800). Einen Tag später ruft König Hamad bin Isa Al-Khalifa den Notstand aus („state of national safety“)

29. September 2011
Militärgerichte verurteilen 20 Ärzte und medizinisches Personal zu Haftstrafen zwischen 5 - 15 Jahren, weil sie Demonstranten behandelten. Auf internationalen Druck kommen die Fälle vor Zivilgerichte

23. November 2011
Bericht der Untersuchungskommission („Bassiouni-Report“) wird veröffentlicht  

13./14. Februar 2012
Gewalttätige Auseinandersetzungen, Polizei feuert Tränengas und Blendgranaten auf tausende Protestanten

Die Proteste in Bahrain begannen mit dem 14. Februar, als sich nach Aufrufen im Internet tausende Menschen versammelten, um friedlich für politische Reformen im Königreich zu demonstrieren. Doch die herrschende Al-Khalifa Familie reagierte unerwartet brutal auf die Proteste. Mit Tränengas und Waffengewalt gingen die staatlichen Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten vor. Mindestens sieben Menschen wurden in den ersten Tagen des Protests getötet, hunderte weitere verletzt. 

Das harte Vorgehen des Staates verschärfte den Konflikt und auch rund ein Jahr später ist das Land zwischen Repression und gewalttätigen Auseinandersetzungen gefangen. Menschenrechtsorganisationen sprechen von tausenden Folteropfern, willkürlichen Verhaftungen und zensierten Medien.

Als im März letzten Jahres Truppen aus dem benachbarten Saudi Arabien in Bahrain einmarschierten um die Regierung zu unterstützen, gingen diese Bilder um die Welt. Für kurze Zeit häuften sich die Negativschlagzeilen über Bahrain in den Medien: Von Ärzten, die verhaftet wurden, weil sie verletzte Demonstranten behandelten, bis zum Militär, das den Zugang zu Krankenhäusern während der Proteste abriegelte. Doch die Reaktionen der internationalen Politik blieben verhalten. Das hat Gründe – Gründe, die viel mit den machtpolitischen Strukturen in der Region zu tun haben. 

Die Ursachen des Konflikts

Bahrain gehört zu den wirtschaftlich schwächeren Ländern der Golfregion, hat aber – verglichen mit den umliegenden autoritären Regimen – eine aktive Zivilgesellschaft und eine gut ausgebildete Mittelschicht. Etwa 70 Prozent der Bevölkerung sind Schiiten, während sowohl das Königshaus als auch die Eliten überwiegend sunnitisch sind. Seit den 1990er Jahren protestieren die Schiiten gegen politisch motivierte Diskriminierung. Sie werfen der Regierung unter anderem vor, bei der Vergabe staatlicher Jobs benachteiligt zu werden. Außerdem würde die Regierung ausländische Sunniten bevorzugt einbürgern, um das religiöse Verhältnis im Land zu verändern.

Doch entgegen den Darstellungen des Regimes hat der Konflikt seine Wurzeln nicht in der Religion. Seit Jahrzehnten sorgen die hohe Arbeitslosigkeit, die Verweigerung politischer Grundrechte und ein repressiver Sicherheitsapparat, in dem zum großen Teil Ausländer beschäftigt werden, für Proteste. Bereits Ende 2010 nahmen die Spannungen im Land zu, als führende Oppositionelle von Militärgerichten zu langen Haftstrafen verurteilt wurden. Als dann im Februar die Menschen auf die Straße gingen, forderten sie die Freilassung dieser politischen Gefangenen und eine Änderung der Staatsform in eine konstitutionelle Monarchie. Das Datum ist dabei kein Zufall: Der 14. Februar 2011 ist der zehnte Jahrestag eines Verfassungsreferendums, das damals mit großer Mehrheit beschlossen wurde. Doch weil wesentliche Änderungen kurz darauf wieder zurückgenommen wurden, spiegeln die Proteste auch die Enttäuschung über die leeren Reformversprechen der Regierung wider.

Strategische Interessen

An den Unruhen im kleinsten der Golfstaaten zeigen sich auch die Linien eines größeren Konflikts. Die alte Rivalität zwischen dem sunnitischen Saudi Arabien und dem schiitischen Iran ist einer der Gründe, warum der saudischen Führung an einem Machterhalt der Königsfamilie in Bahrain gelegen ist. Ein weiterer ist die Befürchtung, dass die Unruhen auch auf die eigenen schiitischen Provinzen übergreifen könnten. Deshalb rollten nicht nur saudische Panzer in die Hauptstadt Bahrains, es fließt auch viel saudisches Geld dorthin. Die USA dagegen stellen die Proteste vor ein Dilemma. Bahrain gilt seit dem Golfkrieg 1991 als wichtiger strategischer Verbündeter der USA, militärisch gibt es eine enge Zusammenarbeit und auch die Fünfte Flotte der Amerikaner ist in dem Golfstaat stationiert. So werden die Menschenrechtsverletzungen des bahrainischen Regimes zwar kritisiert, die USA setzen aber weiterhin auf den Reformwillen der Regierung. „If the uprising of Bahrain spreads to Saudi Arabia, then Western power is really in trouble and in fact Obama has changed the rhetoric that he used officially to talk about the uprisings” sagt der politische Aktivist und Intellktuelle Noam Chomsky zur Haltung der US- Regierung. “For a while it was regime change, now it is regime alteration. We don’t want it to change, it is too valuable to have a dictator to run things.”

In Bahrain jedoch hat sich die innenpolitische Lage auch ein Jahr nach Ausbruch der Proteste wenig verändert – ganz im Gegenteil. Die Fronten haben sich verhärtet und viele Demonstranten wurden durch das harte Vorgehen des Staates radikalisiert. Das bahrainische Regime betrachtet die Proteste als ausschließlich schiitische Aufstände, obwohl auch Sunniten in der Opposition aktiv waren und sind. Doch durch das gezielte Attackieren der schiitischen Bevölkerung droht der Konflikt immer mehr entlang konfessioneller Linien zu verlaufen. Menschenrechtsorganisationen haben seit Februar letzten Jahres mindestens 60 Todesopfer, 1600 willkürliche Verhaftungen und rund 2000 Fälle von Folter dokumentiert. Diese Zahlen erscheinen in einem anderen Licht, wenn man sie auf die Größe der Bevölkerung bezieht – von den rund 1,2 Mio. Einwohnern Bahrains sind nur etwa 600.000 bahrainische Staatsangehörige. Eine vom König beauftragte Untersuchungskommission stellte im November letzten Jahres massive Menschenrechtsverletzungen des Regimes fest. Das Einsetzen einer unabhängigen Kommission war zwar ein riskanter Schachzug, ist aber bezeichnend für das Vorgehen der Regierung: So wird gerade dem Ausland die Bereitschaft zu Reformen und Dialog signalisiert (das diese Zeichen gerne aufnimmt), während im Land selbst jegliche Opposition weiterhin brutal unterdrückt wird.

Business as usual

Mittlerweile berichten nur noch wenige Medien über die Situation in Bahrain. Die Formel 1, die voriges Jahr wegen der Unruhen abgesagt wurde, wird dieses Jahr trotz anhaltender Proteste wieder stattfinden. Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit haben die USA kürzlich beschlossen, Waffen im Wert von einer Million Dollar an Bahrain zu verkaufen. Ursprünglich sollte das Geschäft in der Höhe von 53 Millionen bereits 2011 abgewickelt werden, wurde damals allerdings nach Kritik von Menschenrechtsorganisationen vorläufig aufgeschoben. Jetzt beteuert die US-Regierung keine Waffen zu liefern, die gegen Demonstranten eingesetzt werden könnten. Dennoch verweigert sie eine genaue Aufstellung der verkauften Güter – ein Schritt der von Organisationen wie Amnesty International scharf kritisiert wird. Schließlich stammen auch die Gummigeschosse und das Tränengas, das gegen die Demonstranten eingesetzt wurde, zum großen Teil aus amerikanischer Produktion.