Kommentar

Nazi Leaks

Anonymus versucht mit der Operation Blitzkrieg, das Netzwerk von Neonazis transparent zu machen. Sie hoffen, dass die Offenlegung der Struktur dazu führt, Rechtsextremismus aus unserer Gesellschaft zu verbannen.


Die Hacker sind die neuen Helden! Die anonymen unter ihnen sind diejenigen, die es  innerhalb eines Jahres geschafft haben, vom Schmähbild der Nerds zu den strahlenden Rittern einer verheißungsvollen und glorreichen Zukunft zu wachsen. Anonymus, das Hacker-Kollektiv. Die Maske begleitet die "Empörten". Anonymus kämpft - u.a. mit Wikileaks Seite an Seite - gegen ein bedrohliches Überwachungsimperium (HOMESEC, SOPA, PIPA und ACTA) und, ja, sie kämpfen auch gegen NeoNazis. Wir sollten dankbar sein. Wir haben Wachhunde bekommen.
 
Dieses wackere Rudel zieht jeden Freitag aus und legt Flyer mit Daten vor die Türe: Namen, Adressen, Telefonnummern, Email-Adressen uvm. werden ungefragt und anonym zur Verfügung gestellt. Man weiß oft nicht viel mit den Daten anzufangen, dass aber jemand das Heft in die Hand nimmt und aktionistischen Elan verbreitet, kommt den Gegnern rechtsextremistischer Politik nicht ungelegen. In der Vergangenheit lag der Erfolg der Neonazis oft im überraschenden Moment des Angriffs. Der Nachkriegs-Konsens von "Nie wieder!" wurde aufgekündigt und die Dosis der Unverfrorenheit mit jedem Mal ein klein wenig erhöht. Es scheint so, als würde das Pendel nun in die andere Richtung ausschlagen. Jetzt wird Jagd auf sie gemacht. 

Irgendetwas ist aber faul an dieser so gut gemeinten Aktion. Da gibt es zunächst die kleinen Schönheitsfehler, wie unter anderem diesen: Wenn Adressdaten einer Redaktion veröffentlicht werden, hätte es gut getan, Abonnenten von den Kontakten der Journalisten zu trennen (siehe Kritik des DJV an opBlitzkrieg). Aber wäre alles in Ordnung, wenn die Sorgfalt der Leaker größer gewesen wäre? Leider nein. Es ist der unsägliche Reiz der Rache, der noch viel mehr die Argumente der Kritik an der Aktion Operation Blitzkrieg untermauert. Rache ist eine süße Versuchung: Mit der Wut im Bauch, könnte man ihr auch schnell erliegen. Aber richtig ist sie nicht. Es macht einen eher depressiv, dass so überraschende Geschenke, einen denkbar schlechten Geschmack hinterlassen. 


Die Operation Blitzkrieg alias #opBlitzkrieg kämpft mit den Waffen seiner Gegner, denn die Jagd auf private Daten ist keine Erfindung von Anonymus. Seit Beginn der faschistischen Bewegung arbeiten Nazis mit Denunziation, Zeigefingern und Listen, die es abzuhaken gilt. Dass der Spieß jetzt umgedreht wird, stillt vielleicht ein wenig die Wut, ist aber ein gefährlicher Sprengsatz. Denkt man die Sache etwas weiter: Kein NeoNazi, der jetzt auf einer der veröffentlichten Listen zu erkennen war, wird sich für das Outing schämen. Es ist eher zu befürchten, dass versteckte Gleichgesinnte sich zunächst solidarisieren und letztendlich in ihrer Gesinnung bestärkt werden.

Ich werfe Anonymus vor, mit der Operation Blitzkrieg einen Schnellschuss abzufeuern, der die destruktiven Kräfte der Aktion für eine politische Bekämpfung von Rechtsextremismus nicht berücksichtigt. Diese Leaks schaffen kein karthasisches Umfeld für verirrte Ewiggestrige, sondern verhärten die Fronten der sich gegenüberstehenden Fraktionen. Deshalb ist zu befürchten, dass Nazi-Leaks nicht das erreichen wird, was Anonymus ursprünglich damit bezwecken wollte. 

Nazi-Leaks bestreitet Politik nach dem Lust-Prinzip. Hatten Hacker nicht den Ruf, mit unglaublich guten Analysefähigkeiten ausgestattet zu sein? Es ist schade, dass diese Erwartung in dem Projekt Operation Blitzkrieg überhaupt nicht erfüllt wird. In der Analyse der menschlichen Psyche, wird Sigmund Freud Recht besitzen,dass die Heilung im Realitäts-Prinzip liege. Eine offene Gesellschaft muss im Erreichen ihrer politischen Ziele, ihre eigenen ethischen Prinzipien fest im Auge behalten. Das ist das Gegenteil von Nazi-Leaks. Das ist fad. Doch letztendlich lebt es sich so besser.


Operation Blitzkrieg

  • Operation Blitzkrieg
    Zeitgemäße Erziehungsmethoden? (Foto: Anonymous/cc)

Die Website nazi-leaks.net war Teil einer "gegen-rechts" Kampagne des Hackerkollektivs "Anonymous". Das Portal war als Sammelbecken und Plattform gedacht, das Leaks aus den Beutezügen der antifaschistischen Hacker auf rechtsextremen Websites zusammenträgt und frei zur Verfügung stellt. Die parallel dazu laufende Operation Blitzkrieg (#opBlitzkrieg), sollte nun jeden Freitag Neo-Nazis das virtuelle Fürchten lehren.

Am Freitag, den 10. März, kam es zur bislang letzten Veröffentlichungswelle: Datensätze eines einschlägigen Versandhauses (ein zweites Mal der NPD-Versand "Deutsche Stimme") und die User-Login-Daten zur Homepage der Vorarlberger FPÖ (Quelle).