Moskau

Putin hat offenbar nichts gelernt, leider!

Die Führung geht hart gegen allle vor, die irgendwie im Weg sind - kein gutes Zeichen


Die Präsidentschaftswahl ist noch keine eineinhalb Wochen vorbei und schon wird mit großer Härte gegen alle vorgegangen, die anderer Meinung sind. Begonnen hat es mit der Verhaftung von zwei Mitgliedern der Punk-Band Pussy Riot, über die ich vor zwei Wochen geschrieben habe. Inzwischen wurde ein drittes Mitglied der Band verhaftet, einer weiteren droht das Jugendamt damit, ihr Kind in ein Heim einzuweisen. Den Pussy Riots droht eine Hafstrafe von bis zu sieben Jahren, da sie ein "Punk-Gebet" gegen Wladimir Putin in der Christ-Erlöser-Kathedrale abgehalten haben. 

Die Angelegenheit nimmt immer größere Dimensionen an. Bei einer Mahnwache vor dem Gericht kam es zu einer Schlägerei zwischen Anhängern der Pussy Riots und orthodoxen Aktivisten. Auf dem Video ist ziemlich eindeutig zu sehen, dass die Aggression von den "Orthodoxen" ausgegangen ist. Wenig überraschend wurden aber nicht die Aggressoren vorübergehend festgenommen, sondern die Teilnehmer der Pro-Pussy-Mahnwache.

Aber Recht und Justiz sind in Russland sowieso unterschiedliche Dinge. Dieses Bild kursiert zur Zeit im russischen Internet. Es zeigt den Hauptverdächtigen in einem aktuellen Polizeiskandal  in der Stadt Kasan. Mehrere Polizisten sollen dort einen Mann mit einer Flasche vergewaltigt und zu Tode gefoltert haben. Im Zuge der Ermittlungen ergab sich, dass körperliche Misshandlungen und Folter in diesem Polizeirevier in Kasan offenbar nichts außergewöhnliches waren. 

Der Hauptverdächtige wurde vorerst zu zwei Wochen Hausarrest verdonnert. Die jungen Frauen der Pussy Riots sitzen hingegen bis Ende April in Isolationshaft.

Doch das ist nur die Spitze des Eisberges. In Nischnij Nowgorod wurden dutzende Demonstranten, die bei einer Kundgebung gegen Putin festgenommen worden waren, einen ganzen Tag in einem Bus vor dem Polizeirevier festgehalten, ohne Essen, Zugang zu Toiletten, etc. In Moskau wurde der linke Aktivist Sergei Udalzow zu zehn Tagen Haft verurteilt, weil er bei der letzten Anti-Putin-Demonstration vor eineinhalb Wochen angeblich versucht haben soll, einen Marsch auf den Kreml zu starten.

Für die größte Aufregung sorgt aber die Verurteilung von Alexei Koslow zu fünf Jahren Strafkolonie. Koslow ist der Ehemann der Journalistin und Oppositions-Aktivistin Olga Romanowa. Ihm wurden verschiedene Wirtschaftsvergehen vorgeworfen, die Opposition spricht aber von einem politischen Verfahren. Die letzte große Demonstration stand sogar explizit unter dem Motto: "Für Freie Wahlen - Freiheit für die politischen Gefangenen, Freiheit für Alexei Koslow". Welchen anderen Sinn hat daher dieses Urteil, fragt etwa der bekannte Fernsehjournalist Tichon Dsjadko, als die Moskauer Intelligenz zu provozieren?


Das Regime von Wladimir Putin zieht offenbar die Schrauben an und will mit einigen besonders demonstrativen Maßnahmen zeigen, dass der politische Frühling, der zwischen Dezember und Februar geherrscht hat, vorbei ist. 

Doch wie das politische Projekt "Putin 3.0" aussehen soll, welche Inhalte es haben wird und welche Schwerpunkte Putin setzen will, ist völlig offen. Klar ist, dass Putin nicht so weiterregieren kann wie bisher: Das Wirtschaftsmodell der letzten Jahre hat sich überholt, an die Stelle der Abhängigkeit von Öl- und Gasexporten müssen neue innovative Industrien treten. Genau dafür bräuchte Putin die Mittelschicht, die gegen ihn auf die Straße gegangen ist. Der hervorragende Innsbrucker Russland-Experte Gerhard Mangott schreibt in den - übrigens auch hervorragenden - Russland-Analysen, Putin müsste seinen Gegnern die Hand reichen. Derzeit sieht es aber nach dem Gegenteil aus.

Das harte Vorgehen sei ein Zeichen dafür, wie schwach Putins Regime in Wirklichkeit sei, ergänzt Nicu Popesu vom European Council of Foreign Relations. Und das Center for Eastern Studies in Warschau konstatiert, Putin habe nicht nur innenpolitisch, sondern auch außenpolitisch keinen überzeugenden Plan


Im nächsten Blog-Eintrag schildere ich die Eindrücke meiner Reise nach Salechard, gelegen an der Mündung des Ob in den arktischen Ozean in Nord-Sibirien.