Kommentar
Milch, Honig und Kuchen: Köstliche Denunzierung
Die Journalistin Doris Knecht bezeichnet in ihrer jüngsten Falter Kolumne junge und freie Journalisten als Prekarierer, sieht in prekären Arbeitsverhältnissen eine Rückgratbildung und glaubt, dass nur ein Stück Kuchen junge Menschen auf die Straße bringt.
Immerhin kann ich sagen: Ich war nicht diejenige, die nach dem Lesen Ihrer Kolumne in eine Facebook Gruppe geschrieben hat: „Hm... ich muss ehrlich zugeben: ich komme mir verarscht vor!!!“. Die war ich nicht, obwohl ich Sympathien für diese Aussage habe. Ich war allerdings diejenige, die gesagt hat: Das Argument, junge und freie Journalisten sollten sich zu Beginn ihrer Karriere ausbeuten lassen, um hinterher ihre abgesicherte Anstellung in einem Medienhaus verdient zu haben, ist absolut nicht tragbar. Fleiß, Engagement, Motivation und Leidenschaft für den Beruf sind Voraussetzungen für eine erfolgreiche Karriere. Allerdings hat qualitätsvolle, journalistische Arbeit ihren Preis.
Sie schreiben, ein gewisses Ausmaß an Ausbeutung sei rückgratbildend. Ich sage: Nach oben buckeln, nach unten treten, ist kein Aufbautraining für mein Rückgrat. Denn was lässt sich aus Ihrer Aussage schließen? Der im Journalismus und gerade unter alteingesessenen Journalisten bekannte Satz: „Hörts auf zum Jammern! Wir mussten unsere Arbeitsplätze auch erkämpfen“ ist blanker Hohn.
Ja, stimmt vielleicht. Was Sie und Ihre Kollegen aber eventuell nicht bedenken, ist das Faktum, dass die heutige Generation der jungen und freien Journalisten eine hervorragende Ausbildung hat und auf langjährige journalistische Berufserfahrung zurückgreifen kann. Von den unzähligen Praktika ganz zu schweigen. Davon abgesehen, dass die heutigen Bedingungen am Arbeitsmarkt nicht mit jenen von vor 30 Jahren zu vergleichen sind.
Frau Knecht, ich rufe Sie dazu auf, als Journalistin die vorherrschende Norm zu hinterfragen, denn nur weil es prekäre Arbeitsverhältnisse im Journalismus immer schon gab, heißt es nicht, das es heute auch so sein soll. Eventuell haben Sie unseren offenen Brief nicht aufmerksam gelesen, denn in unseren Forderungen werden Sie die Wörter "Milch" und "Honig" vergeblich suchen. Ist es zu viel verlangt, nach einem oder zwei absolvierten Hochschulabschlüssen und jahrelanger Tätigkeit als freie Journalistin gerecht entlohnt werden zu wollen?
Denn wie Sie gegen Ende Ihrer Kolumne richtig schreiben: Gerade wegen der Leidenschaft zum Beruf und weil der Journalismus für uns viel mehr eine Berufung ist, sind wir bereit zu kämpfen. Im Übrigen bedarf der Schluss Ihrer Kolumne ein wenig Klarheit: Dass eine Horde junger Menschen sich für ein Stück Kuchen anstellt, kann nicht pars pro toto für eine gesamte Generation stehen. Schließlich ist nicht alles, was hinkt, ein Vergleich.