aus dem Sinn
Ein Nestlé voller Vorwürfe
Der größte Lebensmittelkonzern der Welt heißt Nestlé und beherbergt rund 170 Marken. Zählt man die einzelnen Produkte jeder Marke, kommt man auf ca. 1500 Artikel, die Nestlé weltweit vertreibt. Trotz vieler Bemühungen, das Unternehmen in einem guten Licht darzustellen, werden die kritischen Stimmen immer lauter: Privatisierung des Trinkwassers, das Missachten der internationalen Kodices und breite Menschenrechtsverletzungen, sind nur einige der Vorwürfe gegen den Lebensmittel-Riesen.
1866
Nestlé wird gegründet
1938
Vermaktung von löslichem Kaffee
2002
Weltweiter Marktführer für Hunde- und Katzenfutter
2005
Mitgliedschaft bei der Umweltschutzorganisation "Rainforest Alliance"
2007
"Guardian" deckt Werbemittel von Nestlé auf
1866 wurde der Nestlé Konzern von Henri Nestlé in der Schweiz gegründet. Ihm war es gelungen, ein lösliches Milchpulver herzustellen, das Säuglingen als Muttermilchersatz gegeben werden konnte. Nestlé erzielte 1938 durch die Vermarktung von löslichem Kaffee große Gewinne. Danach folgten zahlreiche Fusionierungen, unter anderem mit den Unternehmen Maggi und Buitoni. Im Jahr 2002 mutierte Nestlé durch die Übernahme des amerikanischen Tierfutterkonzerns Ralston Purina zum weltweiten Marktführer im Bereich der Tiernahrung für Hunde- und Katzenfutter.
Trotz oder gerade wegen der Dominanz am Weltmarkt, kämpft Nestlé bereits seit Jahren mit seinem Image: Missachtung der Menschenrechte, Ausbeutung von Arbeitskräften und Kinderarbeit sind nur einige der Kritikpunkte.
Nestlé und die Umwelt
Durch die Mitgliedschaft bei der Umweltschutzorganisation „Rainforest Alliance“, sieht sich Nestlé als ein umweltfreundliches Unternehmen an. Die „Rainforest Alliance“ soll fairen Handel garantieren und in zusammen mit den Bauern Motivationsarbeit leisten, so dass mehr Konzerne fairen Handel betreiben. Tatsächlich ist das Regelwerk der „Rainforest Alliance“ deutlich nachsichtiger als die Auflagen des „Fairtrade“ Gütesigels. So bekommen die Bauern rund 20 Prozent weniger für den Kaffee als beispielsweise bei Fairtrade. Zudem zählt die „Rainforest Alliance“ zu den eher wirtschaftsnahen Umweltschutzorganisationen. Alles nur Augenauswischerei oder ein ernst gemeinter Beitrag der Umwelt zu Liebe?
Nestlé ist sich des Bio-Booms bewusst und argumentierte in seinem Jahresbericht aus dem Jahr 2005:
„Die Konsumenten interessieren sich heute dafür, wer für die von ihnen gekauften Marken letztlich die Verantwortung trägt. (...) Das gesellschaftliche Ansehen eines Unternehmens wird zunehmend mit einzelnen Marken assoziiert. Aus diesem Grund nutzen wir unsere Marken vermehrt dazu, das soziale Engagement des Unternehmens zu unterstreichen und erreichen so eine erstklassige Wettbewerbsposition. Ein Beispiel ist die Zusammenarbeit von Nespresso mit der Rainforest Alliance.“
Nestlé und die Babynahrung
Gerade das Engagement des Nestlé Konzerns im Segment der Babynahrung wird von vielen Menschenrechtsorganisationen in die Mangel genommen. Sie werfen Nestlé vor, durch Werbung und Abgabe von Gratisproben, Mütter vom Stillen abzubringen, zumal die Verwendung von Milchpulver in vielen Regionen der Welt gefährlich ist, weil zur Milchaufbereitung verschmutztes und infiziertes Wasser verwendet wird. Es folgten internationale Konsumboykotte und Proteste durch UNO-Organisationen. Zwar verpflichtete sich Nestlé zu Werbebeschränkungen, diese werden aber regelmäßig umgangen. So berichtete die britische Zeitung „Guardian“ im Mai 2007, dass Vertreter des Nestlé Konzerns in Bangladesh in Geburtskliniken Werbung für Muttermilchersatz betrieben hätten.
Ein weiterer Vorwurf: Nestlé umgehe die Regeln des internationalen Kodex. Dem Konzern wird vorgeworfen, durch schwammige Formulierungen Schlupflöcher zu erzeugen, um zunehmend durch umstrittene Werbeaktionen Produkte zu vertreiben.
Nestlé und das Trinkwasser
Ein weiterer Kritikpunkt an Nestlé sind die Bestrebungen, Trinkwasser zu privatisieren. Dabei steht immer die Frage im Raum, ob Wasser zu einer Ware werden darf oder ein Menschenrecht sein sollte. Im Film „We feed the World“ nahm der damalige Nestlé Chef Peter Brabeck dazu Stellung:
Seit Juli 2010 ist der Zugang zu Wasser ein Menschenrecht. Die Vereinten Nationen haben den Anspruch auf reines, sauberes Wasser und Sanitätsversorgung als allgemeines Menschenrecht festgehalten. 192 Mitgliedsstaaten haben die Resolution angenommen. Österreich hingegen enthielt sich der Stimme. Zwar sei die Republik nicht gegen die Initiative, aber durch die Festschreibung von Wasser als Menschenrecht seien Konesequenzen zu befürchten, die man derzeitig nicht abschätzen könne. Die Frage, mit welchen Konsequenzen Österreich rechnet, bleibt jedoch offen.
Factbox
Nestlé ist der größte Lebensmittelkonzern der Welt und beherbergt rund 170 Marken. Paul Bulcke ist seit 2008 Geschäftsführer. Das Unternehmen geriet in den letzten Jahren vermehrt unter Kritik: Menschenrechtsverletzungen, Kinderarbeit, Privatisierung des Trinkwassers und unlautere Werbeformen sind nur einige der Vorwürfe gegen Nestlé.