Kommentar

Bewaffnet die Griechen!

Deutschland verkauft so viele Waffen wie kein anderes europäisches Land. Hauptabnehmer ist ausgerechnet Griechenland. Warum die Griechen kurz vor dem Staatsbankrott deutsche U-Boote brauchen und wie die deutsche Kanzlerin die Interessen der Rüstungsindustrie fördert.


In diesen Zeiten der Krise müssen wir vieles verstehen. Wir müssen verstehen, dass es um Europa geht, um unsere gemeinsamen europäischen Werte. „Solidarität und Eigenverantwortung“ heißt die Lösung der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Rettung der europäischen Staatengemeinschaft. 

Doch trotz Krise geht es manchen Branchen in Europa gut, sehr gut sogar. In Deutschland etwa boomt die Rüstungsindustrie. Nach den USA und Russland gehören die Deutschen zu den größten Waffenexporteuren weltweit. Allein im Jahr 2010 wurden Waffen und Rüstungsgüter im Wert von rund 6 Milliarden Euro aus Deutschland exportiert. 


"Made in Germany"

Waffen „Made in Germany“ sind rund um den Globus äußerst beliebt. Wie etwa der Kampfpanzer Leopard, dessen Verkauf nach Saudi Arabien zuletzt für ein bisschen Aufregung in der deutschen Öffentlichkeit sorgte. Auch U- Boote gehören zu den deutschen Exportschlagern, ebenso wie Kleinwaffen und Munition. Gute Kunden deutscher Rüstungsgüter sind auch Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate oder der Irak. In welche Länder exportiert wird und ob die Gefahr von Menschenrechtsverletzungen besteht, darüber entscheidet ein Gremium der Bundesregierung geheim. Parlamentarische Kontrolle ausdrücklich unerwünscht.

Wohin die Waffen letztendlich gelangen, wird kaum kontrolliert. So tauchten zum Beispiel während des Arabischen Frühlings in Libyen Sturmgewehre der Firma Heckler & Koch auf. Auch in Mexiko wurden kürzlich deutsche Waffen eingesetzt, die vermutlich illegal geliefert wurden. Weitaus weniger bekannt als die Waffenverkäufe ist jedoch die Lizenzvergabe für ihre Herstellung. So gibt es jetzt in Saudi-Arabien eine Gewehrfabrik, die mit deutscher Technologie Waffen baut. Dabei profitieren die Rüstungsfirmen in Deutschland langfristig von den Lizenzgebühren.


Gute Waffen für gute Freunde

Die meisten der deutschen Waffenexporte gehen allerdings an europäische Staaten und NATO- Mitglieder. Der wichtigste Abnehmer deutscher Rüstungsgüter in den letzten Jahren ist dabei ausgerechnet Griechenland. Jenes hoch verschuldete, krisengeschüttelte Griechenland, um dessen Sein oder Nicht-EU-Sein gerade so verzweifelt gerungen wird. Von den NATO-Staaten haben nur die USA – gemessen am BIP – höhere Militärausgaben als die Griechen. Diese allerdings haben für ihr enormes Verteidigungsbudget auch gute Gründe, immerhin sind sie seit Jahren mit der Türkei in einem absurden Rüstungswettlauf gefangen. Kaufen die Türken ein neues U-Boot, muss Griechenland mitziehen und umgekehrt. Und wer profitiert davon? Einzig und allein deutsche Rüstungsfirmen. Die gehören nämlich in beiden Ländern zu den größten Waffenlieferanten. Ähnlich ist es übrigens mit Indien und Pakistan, die auch beide mit deutschen Waffen beliefert werden. Nicht ohne die mahnenden Worte Merkels beim Staatsbesuch in Indien, das Land solle doch mehr für die Bekämpfung der Armut tun. 


U- Boote trotz Staatsbankrott

Griechenland ist ein treuer Käufer deutscher U-Boote, allerdings auch schon in den letzten Jahren ein wenig zahlungskräftiger. Lange gab es zwischen beiden Ländern Streitigkeiten über bestellte aber nicht abgenommene neue U- Boote. Diese Konflikte lösten sich paradoxerweise mit der Zahlungsunfähigkeit des griechischen Staates. Plötzlich hieß es von griechischer Seite, man werde alle Verbindlichkeiten begleichen, und nicht nur das: 2010 wurden sogar zwei neue deutsche U-Boote bestellt. Im selben Jahr wurden auch Aufträge für französische Fregatten unterzeichnet, denn auch Frankreich ist wichtiger Rüstungslieferant für Griechenland. Dass es eine Verbindung zwischen EU- Krediten und den Rüstungsaufträgen gibt, wird selbstverständlich dementiert. Ein Schelm, wer böses denkt.


Sparen! Aber nicht beim Militär

Inmitten der schwersten Wirtschaftskrise seiner Geschichte, kauft Griechenland weiter Waffen. Allein 2010 für gut eine Milliarde Euro aus anderen europäischen Ländern. Die griechische Armee ist, gemessen an der Einwohnerzahl, die mit Abstand größte Europas. Kein anderes europäisches Land investiert pro Kopf soviel in sein Militär wie Griechenland – eine Tatsache, die auch zu der massiven Staatsverschuldung beigetragen hat. Auf knapp 7 Milliarden Euro belief sich der griechische Verteidigungsetat im Jahr 2010. Während also nun milliardenschwere Rettungspakete mit harten Sparauflagen geschürt werden, bleibt der Druck auch beim Militär einzusparen, gänzlich aus. 

Stattdessen geht man davon aus, „dass die griechische Regierung in eigener Verantwortung sinnvolle Ausgabenkürzungsmöglichkeiten auch im Militärbereich nutzt“. Das ist schön gesagt vom deutschen Regierungssprecher, der damit treffend beschreibt, was Merkel mit „Eigenverantwortung“ meint. Die gilt nämlich nicht, wenn es um Kürzungen bei Sozialausgaben, bei Gehältern oder Renten geht. Da wissen die Vertreter von EU und IWF ganz genau wo der Rotstift anzusetzen ist und genauso sollen die Griechen das bitteschön auch tun. 

»Von außen greifen die EU-Länder in praktisch alle Rechte Griechenlands ein. Krankenschwestern wird der Lohn gekürzt, und alles Mögliche soll privatisiert werden. Nur beim Verteidigungshaushalt heißt es plötzlich, das sei ein souveränes Recht des Staates. Das ist doch surreal.« (Daniel Cohn-Bendit, Abgeordneter des Europaparlaments) 


Solidarität und Eigenverantwortung?

Solidarisch zeigt sich Deutschland also höchstens mit der Rüstungslobby und die Eigenverantwortung liegt bei den Griechen. Zum Beispiel auch für die Sicherung ihrer Außengrenzen. Hohe griechische Militärausgaben sind der deutschen Regierung wohl auch ganz recht im Bezug auf unerwünschte Migration aus Nordafrika. Gemeinsame europäische Werte sind eine feine Sache. Schön auch, wenn sich Deutschland für verbindliche Regeln beim internationalen Waffenhandel einsetzt. Anfangen könnte man allerdings im eigenen Land. Doch geht’s der deutschen Rüstungsindustrie gut, geht’s uns allen gut. Und damit auch den Griechen. Zumindest irgendwie.