Kommentar
Stell dir vor die #unibrennt und keiner findet's gut
Beim Wiederaufflammen der Bildungsproteste geht es jetzt ums Image. Auf beiden Seiten
Hurra, die #unibrennt. Nach den Bildungsprotesten im Wintersemester 2009/10, flammt die Bewegung politisierter Studenten endlich wieder auf. Doch gleich stellen sich jene, die immer noch nicht resigniert haben, die zu Protest und Besetzung bereit sind und notfalls auch eine Verwaltungsstrafe in Kauf nehmen, als Minderheit heraus. Auf Twitter und in persönlichen Gesprächen mit Studenten stößt die kurzfristige Besetzung des Audimax auf viel Unverständnis. Die Reaktionen reichen von „Super, dann wird wieder dauernd der Ring blockiert,“ bis hin zu kollektiven Beschimpfung als „Scheisskinder“ (sic!). Der Ruf von Protest als legitimes Mittel, um auf die Bildungsbaustellen hinzuweisen, ist gründlich ruiniert.
Die Sperre der ganzen Uni, die Absage aller Lehrveranstaltungen am Tag nach der Räumung und die Schließung der Bibliothek, tun das Ihrige. Dahinter vermuten die Besetzer ein System: „Wir wollen unser Entsetzen zum Audruck bringen, dass Lehrveranstaltungen ausfallen. Wir fordern offene Türen an der Universität,“ bemühen sie sich klar zu stellen. Den schwarzen Peter für die "Zugangsbeschränkungen" an der Hauptuniversität Wien, wollen sie sich nicht zustecken lassen. „Der Rektor versucht uns gegeneinander auszuspielen,“ vermutet eine Aktivistin, die Anonym bleiben will.
Auch für Rektor Heinz Engl sind diese ersten Proteste seiner Amtszeit eine Feuerprobe. Will er nicht - wie sein Vorgänger Georg Winckler – für den Rest seiner Amtsperiode als „Repressionsrektor“ gelten, so muss er jetzt ein echtes Gesprächsangebot machen. Dass die Besetzer sein Angebot für einen Termin nach der Senatssitzung ausschlagen, ist verständlich. Dass das Rektorat das Gentlemen's Agreement, keine Polizei in die Uni zu lassen, nicht einmal Ansatzweise gewürdigt hat, wird Engl bereits übel genommen.
Nun gilt es für die #unibrennt Bewegung aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Der erste Schritt, nämlich die Formulierung klarer Forderungen, ist bereits getan. Während die Audimaxisten im letzten Winter einige Wochen brauchten, um ihre weitreichenden Forderungen in lähmenden basidemokratischen Prozessen zu erarbeiten, gelang es diesmal prägnant zu formulieren: Gefordert wird die Beibehaltung des Bachelor- und Masterstudiums der Internationalen Entwicklung und die Abschlaffung der STEOP, die wohl nicht umsonst von vielen als reines Hindernis wahrgenommen wird. Der populäre Vorwurf „diese Studis wissen nicht was sie wollen,“ geht diesmal ins Leere.
Alle Augen werden nun auf die Plena gerichtet sein. Wird es gelingen, sich rasch auf Mechanismen zur kollektiven Meinungsbildung und Beschlussfassung zu einigen, die dann auch von allen akzeptiert werden? Es ist zu hoffen, dass #unibrennt dort anschließen kann, wo im Jänner 2011 aufgehört wurde. Im Idealfall müssten sich besonders jene mit Protesterfahrung einbringen, die verstehen, gegen die kollektive Demokratiemüdigkeit und Frustration anzukämpfen. Denn wenn es den Studenten nicht gelingt, Demokratie zu leben und ihresgleichen für Politik zu interessieren - welche Gruppe unserer Gesellschaft könnte es denn sonst tun?
Die Voraussetzungen sind heute so gut wie lange nicht mehr. Die ÖH hat mit ihrem ausgefeilten Hochschulplan bewiesen, dass „die Studis“ mehr als nur blockieren und verhindern können. Selbst Rektorenchef Heinrich Schmidinger hat das anerkannt. In Deutschland hat die Piratenpartei vorgemacht, wie man mit Hilfe der Liquid Democracy Basisdemokratie organisieren kann. Wer keine Zeit hat zum Plenum zu kommen oder sich mit einem spezifischen Thema nicht auseinandersetzten will, kann seine oder ihre Stimme delegieren. Die Flüssigdemokratie fließt zwischen direkter und repräsentativer Demokratie und ist Offline sogar noch schneller zu implementieren als im Internet. Wenn das miteinander Reden funktioniert und sich beide Seiten auf echte Gespräche einlassen können, könnte der Protest diesmal mehr Erfolg haben.