Reportage
Frau, 50+, sucht...
Die Situation der arbeitslosen Frauen über 50 Jahren ist meistens aussichtslos. Trotz Weiter-bildungskursen und unzähligen Vorstellungsgesprächen, folgt die Diagnose: zu alt.
Ingrid K. ist eine kleine, rothaarige Frau. Die 57 jährige Wienerin wirkt abgekämpft und müde, aber doch kommt ihr ein Lächeln aus, wenn sie über ihre Arbeit spricht. Denn endlich hat sie wieder eine Beschäftigung gefunden. Davor war sie über fünf Jahre arbeitslos. Ingrid K. hat 28 Jahre den gleichen Beruf ausgeübt: Sie war Angestellte in einem Labor. Plötzlich und für sie unerwartet, wurde sie gekündigt. Begründung: Personalabbau. „Stell dich einmal mit 51 Jahren in die Warteschlange beim AMS – da bekommst du sogar von den anderen mitleidige Blicke zugeworfen“, sagt Ingrid K.
Das erste Mal in ihrem Leben war K. arbeitslos. „Das AMS hat mir einige Vorstellungsgespräche organisiert, ich habe mich aber immer selbst darum gekümmert, noch mehr Jobinterviews zu bekommen. Ich wollte so schnell wie möglich wieder arbeiten. Mit zwei Kindern und einem kranken Mann, steh ich unter Druck.“ Das Ergebnis der Vorstellungsgespräche: Ingrid K. ist zu alt.
„Frauen über 50 Jahre sind eine am Arbeitsmarkt benachteiligte Zielgruppe und werden deshalb vom AMS speziell behandelt“ sagt Beate Sprenger, Pressesprecherin des AMS. Demnach würden sie verstärkt durch „Weiterbildungsmaßnahmen und Beschäftigungsprogramme“ gefördert werden, „um sie bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu unterstützen.“
- (c) Yvonne Widler
„Weiterbildungskurse machen bei Ihnen keinen Sinn.“
In Wien waren Ende März 83.161 Menschen auf Jobsuche, davon 6.136 Frauen über 50 Jahren. Eine davon ist Marika. Marika heißt eigentlich anders, aber sie hat Angst mit ihrem richtigen Namen erwähnt zu werden. Angst, durch ihr Gespräch noch weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben. Lieber bleibt sie anonym. Seit über vier Jahren ist Marika, 54, arbeitslos. Ihr Alter und ihre Herkunft bezeichnet sie als ihre derzeitig größten Hürden, denn Marika ist gebürtige Türkin. „Mein Kopftuch wirkt auf viele abschreckend. Dabei fühle ich mich verpflichtet, meinen Glauben nach außen zu tragen“, sagt Marika im fließenden Deutsch.
Im Gegensatz zu Ingrid K. durfte Marika, gelernte Bürokauffrau, keine Weiterbildungskurse besuchen. Denn nicht nur bei den unzähligen Vorstellungsgesprächen hatte man ihr gesagt, dass sie für den Job zu alt sei, sondern auch ihre Betreuerin beim AMS. „Sie meinte, dass mache bei mir keinen Sinn mehr, denn meine Qualifikationen würden dadurch nicht aufgewertet“. Beate Sprenger weist die Vorwürfe zurück: „Alle Frauen und Männer über 50 Jahre werden durch Weiterbildungsmaßnahmen oder Beschäftigungsprogramme vom AMS gefördert“, sagt sie erneut. Dieser Satz scheint für Sprenger die Lösung aller Probleme zu sein.
Der lächelnde Betreuer
Bei einem der regelmäßigen Treffen mit ihrem Betreuer war Ingrid K. verdutzt, als er sie mit einem freudigen Lächeln empfing. Aufgesetzt, um ihr stolz zu berichten, dass sie ab nun sechs Monate das AMS Jobcenter besuchen darf: Fünf Tage Woche, Geldbezug vom AMS und den ganzen Tag Bewerbungen schreiben. An der Situation hat das nur wenig geändert.
Zumindest an der von Ingrid K. Statistisch gesehen, war sie sechs Monate lang beschäftigt. Wie auch in den darauffolgenden sechs Monaten. Das Jobcenter wurde durch Weiterbildungskurse ausgetauscht: „Schriftverkehr auf Englisch“ und „Schriftverkehr“. Zwischenzeitlich hat Ingrid K. Vorstellungsgespräche gehabt –als Ordinationsgehilfin, bei Speditionen als Sachbearbeiterin, Schalterdienste. Allesamt erfolglos.
Vom Suchen, Finden und der Hoffnung
Mit 53 Jahren schöpfte Ingrid K erneut Hoffnung. Für eine Lebensmittelkette arbeitet sie in der Obst- und Gemüseabteilung. Nach ein paar Wochen, erlitt sie bei einem Arbeitsunfall eine schwere Quetschung an der Hand. Drei Monate Krankenstand mit Therapie waren die Folge. Als sie in den Job zurückkehrte, wurde sie gekündigt. „Die Rückkehr in die Arbeitslosigkeit war für mich noch schlimmer als die zwei Jahre zuvor. Diese Mal wusste ich, was auf mich zukommt.“ Frustriert, hoffnungslos und angespannt verbrachte sie weitere zwei Jahre in der Arbeitslosigkeit. „Irgendwann verfällst du dann in einen Zustand, wo du nur noch wie ein Roboter herumläufst und die wichtigsten Dinge erledigst. Die Absagen tun auch nicht mehr weh“, sagt sie.
Marika kennt diese Situation nur zu gut. Während sie an ihrer Zigarette zieht und einen Schluck von ihrem Schwarztee trinkt, sagt sie mit tränenerstickter Stimme: „Wenn man vier Jahre lang arbeitslos ist, verliert man den Bezug zur Gesellschaft. Ich fühle mich wertlos“. Doch auch hier findet AMS-Pressesprecherin Sprenger erklärende Worte: „Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass Personen mit Migrationshintergrund vom Arbeitsmarktservice in hohem Maß gefördert werden. Die Zufriedenheit der Jobsuchenden mit dem AMS ist daher auch bei Personen mit Migrationshintergrund sehr hoch“. Marika kostet dieser Satz ein müdes Lächeln. „Das ist Zynismus!“
Mit 55 Jahren hatte Ingrid K. bei einem großen Telekommunikationsunternehmen in Wien eine Aussicht auf eine Anstellung. Vermittelt hat ihr den Job eine Bekannte. „Ich weiß ganz genau - ohne Freunderlwirtschaft hätte ich nie eine Anstellung gefunden. Vielleicht verlässt sich das AMS ja auf so was.“
Marika, 54, sucht noch immer.
Quellen
Beate Sprenger (AMS Österreich)
Ingrid K. (Name von der Redaktion geändert)
Marika (Name von der Redaktion geändert)