aus dem Sinn

Pressefreiheit - ad acta?

Pressefreiheit ist kein Privileg sondern das Fundament jeder demokratischen Gesellschaft. Heute ist der internationale Tag der Pressefreiheit und Anlass, aus den Augen Verlorenes erneut zu betrachten.


1694

Erstmaliges Aufkommen einer Debatte und Erlangung von Meinungsfreiheit

1852

Nennung des Begriffs Enthüllung im Zusammenhang mit Presse

1920

Trennung von innerer und äußerer Pressefreiheit

1994

Der internationale Tag der Pressefreiheit wird geboren

2001

Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" veröffentlicht das erste Mal die Weltrangliste zur Pressefreiheit

Dezember 2010 

hier startet der Beobachtungszeitraum für die Weltrangliste der Pressefreiheit

November 2011

Österreich befindet sich auf Platz fünf der Weltrangliste zur Pressefreiheit

3. Mai 2012 

"Reporter ohne Grenzen" verzeichnet bis zu diesem Tage im Jahr 2012 bereits 19 gezielt getötete Journalisten

Dezember 2012

Österreich rutscht von Platz fünf auf Platz zwölf

„In einem demokratischen Staatssystem hat jeder mündige Bürger das Recht zur politischen Mitentscheidung durch Wahlen und Abstimmungen. Medien und Presse sind dabei maßgeblich an einer souveränen Willensbildung beteiligt. Eine unabhängige Presse kann durch ihre Kontrollfunktion helfen, die Demokratie zu wahren und Verstöße gegen das Demokratieprinzip - wie Willkür und Manipulation - aufzudecken.“ (Holoubek) 

Die Ursprünge der Pressefreiheit

Der ältere Ursprung stammt aus England, wo mit der Abschaffung der staatlichen Vorzensur seit 1694 die Meinungsfreiheit gegeben war. Seither drehte sich der Kampf um Pressefreiheit vorrangig um die öffentliche Kontrolle staatlicher Gewalt. Pressefreiheit bedeutete, dass man Zugang zu Informationen erhalte, die von allgemeinem Interesse sind und später auch veröffentlicht werden durften. Diese Idee der Informationsfreiheit setzte den Staatsbürger voraus, der über die Staatsgeschäfte informiert sein müsse, wenn er seiner Rolle als souveräner Bürger nachkommen will. Ungefähr 150 Jahre später, im Jahr 1852, schreibt der damalige Times-Chefredakteur John Delane erstmals: „Die Presse lebt von Enthüllungen“. Der zweite, kontinentaleuropäische, Ursprung liegt im Kampf um die Meinungsäußerungsfreiheit der Bürger, die sich aus der Bevormundung durch den Ständestaat emanzipieren und politisch beteiligen wollten. 

Innere und äußere Pressefreiheit

Die so genannte "innere" Pressefreiheit bezieht sich im Gegensatz zur "äußeren" nicht auf die Freiheit und Vielfalt der Presseorganisationen sondern auf die Vorgänge innerhalb eines Pressehauses. Gemeint ist demnach nicht die Freiheit von staatlicher Einflussnahme sondern die Unabhängigkeit vom Herausgeber bzw. Verleger. Nachdem in den 1920er Jahren die innere Pressefreiheit vor allem die Unabhängigkeit der Redaktion von wirtschaftlichen Interessen bedeutete, versteht man heute unter dem Begriff die grundsätzliche Eigenständigkeit der Redaktion. Die innere Pressefreiheit soll den Journalisten gegen den Einfluss des Verlegers schützen, um eine korrekte Berichterstattung sicherzustellen. 

Pressefreiheit existiert nicht von selbst

Der internationale Tag der Pressefreiheit wird seit 1994 begangen. Er erinnert an die Verletzung von Informations- und Freiheitsrechten in vielen Staaten der Welt. Eine freie Presse gehört unabdingbar zu den elementaren Voraussetzungen der Bildung öffentlicher Meinung und damit demokratischer Verhältnisse. Doch Pressefreiheit existiert nicht einfach von selbst. Grundlage der Pressefreiheit ist die Kommunikationsfreiheit, die sich aus freier Meinungsbildung und Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit zusammensetzt. Kommunikationsfreiheit und damit auch Pressefreiheit sind somit Grundrechte. Erst durch unabhängige und vielfältige Medienangebote ist Meinungspluralismus gewährleistet. Und auch durch die hartnäckige Arbeit von Menschenrechtsorganisationen wird versucht, diesen Zustand zu erreichen. Eine dieser Organisationen ist „Reporter ohne Grenzen“. 

„Reporter ohne Grenzen ist eine regierungsunabhängige Menschenrechtsorganisation mit Beobachterstatus bei Europarat und UNESCO und ist akkreditiert bei den Vereinten Nationen.“ (www.rog.at)

2001 hat die Organisation die erste Weltrangliste zur Pressefreiheit veröffentlicht und seitdem wird jährlich ein Bericht zur Thematik vorgelegt. Für die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ gilt Pressefreiheit als ein Menschenrecht. Die Organisation begründet diese Ansicht damit, dass die Behinderung der Pressefreiheit auch immer mit der Unterdrückung anderer Rechte aus dem Kernbereich der Menschenrechte verbunden ist. Die Verletzung der Pressefreiheit deutet somit immer darauf hin, dass es sich auch um Verletzungen von Basisrechten, wie der Meinungs- und Informationsfreiheit, Rassendiskriminierungen, wie Diskriminierungen nach Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion oder sozialer Herkunft, handelt. Die Stärke der Pressefreiheit ist so gesehen ein guter Richtwert für den Umgang mit  Menschenrechten in dem betreffenden Staat. 

Traurige Bilanzen

Viele Länder haben internationale Abkommen zum Schutz der Menschenrechte unterzeichnet. Die Realität sieht jedoch anders aus. Den Ansprüchen dieser Abkommen wird nicht genüge getan und in puncto Pressefreiheit muss eine ähnlich traurige Bilanz gezogen werden: Reporter ohne Grenzen berichtet regelmässig über fast 100 Länder, wo die Pressefreiheit beeinträchtigt, oft stark verletzt oder gar nicht vorhanden ist. Die Presse kann in diesen Ländern nicht mehr die Funktion der kritischen Begleitung und Kontrolle der Regierungen übernehmen, nicht mehr Sprachrohr für die Interessen von Minderheiten sein, sie kann oft nicht einmal ihren grundlegenden Informationspflichten nachkommen.

Die Weltrangliste der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ misst den weltweiten Zustand der Presse- und Medienfreiheit. Es wird der Grad der Freiheit wiedergegeben, den Journalisten und Nachrichtenagenturen in den einzelnen Ländern genießen, wie auch die Bemühungen des jeweiligen Staates, diese Freiheit selbst zu respektieren und ihren Respekt sicherzustellen. 

Status quo der Pressefreiheit

Aktuell ist die Weltrangliste von Dezember 2010 bis November 2011 erschienen. Berücksichtigt werden alle Arten von Verletzungen der Medienfreiheit, die persönlich an Journalisten ausgeübt wurden (wie etwa Morde, Verhaftungen, körperliche Angriffe und Drohungen) und auch solche, die auf Medien ausgeübt wurden (z.B. Zensur, Beschlagnahmung von Zeitungsausgaben, Durchsuchungen und Schikanen). Ebenso wird festgehalten, in welchem Ausmaß derartige Verstöße im jeweiligen Land verfolgt wurden oder ob sie überhaupt verfolgt wurden. Berücksichtigt werden auch die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen Medien arbeiten (so etwa medienrechtliche Strafen, Staatsmonopole in bestimmten Bereichen oder die Existenz von Regulierungseinrichtungen), und das Verhalten der Behörden gegenüber den staatlichen Agenturen und der Auslandspresse.

Die ROG-Rangliste der Pressefreiheit 2011 vergleicht die Situation der Medien in 178 Staaten und Regionen vom 1. Dezember 2010 bis zum 30. November 2011. In vielen Ländern wurden 2011 deutlich mehr Journalisten verhaftet, entführt oder geschlagen als in den vergangenen Jahren. Ein Schwerpunkt der Gewalt waren die Straßenkämpfe in den arabischen Ländern. Immer stärker rückten dort auch Blogger und Bürgerjournalisten ins Visier der Behörden. Die Unterschiede zwischen den europäischen Staaten haben sich weiter verschärft. Während Finnland, Norwegen und die Niederlande seit Jahren die ersten Plätze in der Rangliste belegen, fielen Bulgarien (Platz 80) und Italien (Platz 61) deutlich zurück und gehören mit Griechenland (Platz 70) zu den Schlusslichtern der EU. In Bulgarien wurden Journalisten, die über Korruption und organisierte Kriminalität berichteten, bedroht und gezielt angegriffen. In Griechenland arbeiteten Reporter und Fotografen während der Wirtschaftsproteste teilweise unter kriegsähnlichen Bedingungen. Deutschland liegt aktuell auf Platz 18 – direkt hinter Jamaica. An der Spitze der Rangliste stehen also, nach wie vor, europäische Länder - am Ende stehen Eritrea, Nordkorea und Turkmenistan. Folgende Karte zeigt anhand der Helligkeit der Einfärbung ( je heller, desto mehr Pressefreiheit) den Status der Pressefreiheit der Länder der Welt:

  • (c) rsf.org

„ In Österreich hat sich nichts Wesentliches verändert“

Österreich steht im November 2011 auf Platz fünf und somit einen Platz hinter den Niederlanden, gefolgt von Island auf Platz 6. Somit hat sich Österreich seit 2008, da lag es noch auf Platz 14,  um neun Plätze verbessert. Grund für Freude sieht Rubina Möhring, Präsidentin von "Reporter ohne Grenzen Österreich", jedoch nicht: „Wir haben für den diesjährigen Index unser Beobachtungs- wie auch unser Bewertungssystem geändert. Die Daten können daher nicht mit den vorigen Jahren verglichen werden."

In Österreich habe sich für die Pressefreiheit nichts Wesentliches verändert, so Möhring. "Das Jahr 2011 stand für uns positiv wie negativ im Zeichen des ORF. Als positiv betrachten wir den neuen Spartenkanal ORF III. Die versuchte politische Einflussnahme auf Postenbesetzungen im ORF ist andererseits ein Thema, das sicherlich im nächsten Ranking seinen Einschlag finden wird."

Die Feinde des Internets

Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ veröffentlicht jährlich auch einen Bericht, der die Pressefreiheit in Bezug auf das „Internet“ widerspiegelt. Hier wurden die Überwachung und die Zensur des Internets sowie auch die Verfolgung von Internetdissidenten untersucht. Die Organisation bezeichnet die betreffenden letzten zwölf Länder des Berichtes als „Schwarze Löcher des Internets“. Einige dieser schwarzen Löcher sind Bahrain, Burma, China, Kuba, Turkmenistan, Saudi-Arabien oder Syrien.

"Diese Staaten haben das Internet zu einem Intranet gemacht, um damit die Bevölkerung am Zugang zu 'unerwünschten' Online-Informationen zu hindern." (www.rog.at)

Neben der Überwachung und Kontrolle von Online-Informationen und Nachrichten werden in diesen Staaten auch unliebsame Internetnutzer systematisch verfolgt und inhaftiert. China führt die Liste - unter anderem - wegen vielfältiger Zensurmethoden an. Um die 40.000 staatlichen Mitarbeiter kontrollieren Online-Inhalte, vor allem auch Video-Clips. In Saudi-Arabien hat die Regierung in den letzten Jahren mehr als 400.000 Webseiten "zum Schutz der saudischen Gesellschaft" sperren lassen. 

Weiter veröffentlicht die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ eine Liste über Länder, die "unter besonderer Beobachtung" stehen - wie beispielsweise Australien. Zwar sind die Zensurmaßnahmen in diesen Ländern weniger massiv, aber die Regierungen haben teilweise Gesetze erlassen, die leicht missbraucht werden könnten. 

Einige der oben genannten Regierungen nützen soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter oder andere Plattformen, um gezielt Informationen zu verbreiten. Einige Druck ausübende Regierungen platzieren Kommentare auf stark frequentierten Webseiten oder organisieren Hacker-Attacken, um gewisse Online-Inhalte zu blockieren. 

2012 – gefährlichstes Jahr für Journalisten?

Das Internationale Presseinstitut (IPI) meint, 2012 könnte für Journalisten das tödlichste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen vor 15 Jahren werden. Bis zum 30. April 2012 registrierte das Institut 43 getötete Journalisten weltweit. ROG registrierte 2012 bis dato 19 getötete Journalisten. Den Unterschied in der Anzahl begründet Hanna Ronzheimer von ROG Österreich in einer anderen Zählweise, da hier ausschließlich vorsätzlich getötete Journalisten gezählt werden und nicht solche, die als zivile Opfer ums Leben gekommen sind. Weitere 161 Journalisten und 121 Online Dissidenten sind derzeit - nach ROG - inhaftiert.   

Österreich verliert massiv

Österreich ist in Jahr 2012 auf Platz zwölf des ROG-Rankings abgefallen und hat somit im Vergleich zum Vorjahr ganze sieben Plätze verloren. "Die Gründe hierfür liegen in der auch heute nach wie vor aktuellen Mediensituation und Tendenzen, die übrigens in einer Vielzahl der EU-Mitgliedsstaaten festgestellt wurden", so Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich. 

Die zunehmend schwierige, ökonomische Lage von Qualitätsmedien sowie der  wirtschaftliche Druck, dem Redaktionen und JournalistInnen ausgesetzt sind, seien die Ursachen. Die Folgen: Personalabbau, Ausdünnung von Redaktionen sowie die weitgehend desolate finanzielle Situation von freischaffenden Journalisten. Hinzu kämen zunehmende Versuche wirtschaftlicher Beeinflussung der Berichterstattung durch PR-Journalismus. Ein weiterer Grund ffür die schlechte Platzierung sei eine Presseförderung und Anzeigenpolitik, die vornehmlich marktorientiert ist und insofern Qualitätsjournalismus sowie seriöse, unabhängige  Hintergrundberichterstattung nicht fördert, sondern einengt. Und schließlich kämen die Versuche seitens der Politik hinzu, die durch gezielte Postenbesetzung im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ORF) ihren Einfluss geltend machen und dadurch das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Berichterstattung untergraben.

 

 

 


Quellen

Haller, Michael (Hrsg.)(2003): Das freie Wort und seine Feinde. Zur Pressefreiheit in Zeiten der Globalisierung. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH

Holoubek M.; Kassai K.; Traimer M. (2006): Grundzüge des Rechts der Massenmedien. 3. Auflage. Wien: Springer Verlag

IPI: http://www.freemedia.at/

Reporter ohne Grenzen, Jahresbericht 2011: www.rog.at/Bilanz%2011.pdf

Reporter ohne Grenzen, Rangliste 2011: http://www.rog.at/rangliste-der-pressefreiheit-2011.html

http://www.blick.ch/news/wirtschaft/2012-wurden-weltweit-bereits-42-journalisten-getoetet-id1865406.html

Welker M.; Elter A.; Weichert S. (Hrsg.)(2010): Pressefreiheit ohne Grenzen. Grenzen der Pressefreiheit. Köln: Herbert von Halem Verlag

Factbox

Seit Anfang 2013 wurden nach "Reporter ohne Grenzen":

17 Journalisten getötet

9 Onine-Aktivisten und Bürgerjournalisten getötet

Derzeit inhaftiert:

180 Journalisten 

155 Online-Dissidenten