Analyse
Rechts-gerichtet
Gottfried Küssel gilt als zentrale Figur der österreichischen Neonazi-Szene. An die Vernichtung der Juden im Dritten Reich glaubt er nicht, jene Österreichs strebt er an. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm nun vor, für die Homepage „Alpen-Donau.info“ verantwortlich zu sein
Im Schwurgerichtssaal des Landesgerichts für Strafsachen Wien sitzt ein gedrungener Mann mit Brille auf der Anklagebank. Anzug, Hemd, keine Krawatte: Im Reigen der Angeklagten, die sonst hier auftreten, gehört er sicher zu den besser Angezogenen. Und trotzdem ist der Prozess gegen Gottfried Heinrich Küssel alles andere als normal.
Einst bezeichnete er Adolf Hitler „als einen der größten Männer in der Geschichte Deutschlands“, verlangte die Wiederzulassung der NSDAP als Wahlpartei und wollte den österreichischen Staat „zertrümmern“, jetzt sitzt er wieder einmal in Untersuchungshaft. In diesen Tagen muss sich der mehrfach vorbestrafte Neonazi Küssel erneut wegen Verbrechen nach dem Verbotsgesetz vor einem Geschworenengericht verantworten.
Es wird ihm vorgeworfen der Auftraggeber hinter der rechtsradikalen Homepage „Alpen-Donau.info“ (ADI) – die auch durch den damaligen freiheitlichen Abgeordneten Werner Königshofer mit Informationen versorgt worden war – und dem dazugehörigen Forum (ADF) gewesen zu sein. Ihm und seinen beiden Mitangeklagten drohen bis zu zehn Jahre Gefängnis.
Dabei hatte die rechte Karriere des Sohnes eines ÖVP-Gemeinderates aus Niederösterreich so glänzend angefangen: Nach Abstechern in diverse Burschenschaften, Hooligan-Szenen und sonstige rechte Randgruppierungen, hatte er 1986 die „Volkstreue außerparlamentarische Opposition“ (VAPO) gegründet. Die, so sollte der Oberste Gerichtshof später feststellen, hatte unter anderem zum Ziel „die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Republik Österreich zu untergraben“.
Küssel bezeichnete das Tagebuch der Anne Frank als eine von Juden erfundene „Lüge“ und „Fälschung gegen das deutsche Volk“. Mit Gesinnungsgenossen fuhr er ins ehemalige KZ Sachsenhausen, wo sie eine hölzerne Gedenkstätte für die dort umgekommenen Mitglieder der SS errichteten. Er sei auch, so berichtete der Falter, im Lager Theresienstadt gewesen, wo er „sehr gelacht“ habe.
Im Gerichtsverfahren, das wegen zu weniger Geschworenen zunächst vertagt werden musste, entschlägt sich Küssel der Aussage. Die Richterin verliest stattdessen die Angaben, die er vor den Ermittlungsbehörden gemacht hat. Gegenüber dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) hatte sich der Angeklagte nämlich wesentlich auskunftsfreudiger gezeigt. Er bezeichne sich nicht als den bekanntesten Nationalsozialisten Österreichs, sagte er den Beamten, wenn dies aber jemand tue, so sei dies sein „gutes Recht.“
Küssels Anwalt Michael Dohr verteidigt diesen leidenschaftlich. Dieser sei ein „angenehmer Mandant“ sagte er gegenüber dem Standard. Er habe ihm außerdem glaubwürdig versichert, nichts mit ADI und ADF zu tun gehabt zu haben. Die Anklage gegen Küssel sei falsch, meint Dohr. Zumindest singt er nicht im Gerichtssaal das Deutschlandlied oder macht den Hitlergruß - wie der Verteidiger eines der Mitangeklagten.
Dabei ist Gottfried Küssel kein unbeschriebenes Blatt. Im Dezember 1991 gab er den Fernsehsendern „Tele 5“ und „ABC“ Interviews, in denen er nicht nur seine Sympathie für Hitler kundtat, sondern auch ankündigte, er wolle versuchen über Nationalratswahlen an die Macht zu kommen. Sollte dies nicht gelingen, strebte er - so die spätere Feststellung des Obersten Gerichtshofs - an, „mit einem Putsch die österreichische Regierung zu stürzen, die rechtsstaatlichen Einrichtungen auszuschalten und die Macht in Österreich zu ergreifen.“
Im Jänner des Folgejahres legte er in einem weiteren Interview mit „ABC-News“ nochmals nach. Auf die Frage, ob er einen zweiten Holocaust anstrebe, antwortete er: „Ich glaube nicht an den ersten.“
Daraufhin wurde er verhaftet und wegen des Verbrechens der nationalsozialistischen Wiederbetätigung vor Gericht gestellt. Die Geschworenen befanden ihn für schuldig, das Strafmaß wurde auf zehn Jahre Haft festgesetzt. Der erste Prozess wurde später wegen Verfahrensmängel vom OGH in Teilen aufgehoben, im zweiten Anlauf verschärfte sich das Strafmaß dann auf elf Jahre.
Nachdem Küssel 1999 vorzeitig wegen „guter Führung“ entlassen worden war, wurde es für einige Zeit still um ihn. Er nahm an der Sonnwendfeier der „Österreichischen Landsmannschaft“ teil und man sichtete ihn an den Gräbern der NS-Schergen Walter Nowotny und Otto Skorzeny. Öffentlich zu sprechen begann er erst wieder 2007 beim „Fest der Völker“ im deutschen Jena. In Leipzig beschwerte er sich 2009 über den „Genozid des deutschen Volkstums in Österreich“, weil nur noch 4,3 Prozent der Österreicher sich als Deutsche sähen.
Im aktuellen Prozess bestätigt sich die ideologische Ausrichtung Küssels erneut. Darüber, dass er ein Nazi ist, kann und will er niemanden im Zweifel lassen. Das Verfahren wegen illegalen Waffenbesitzes - die Behörde hat über Küssel ein absolutes Waffenverbot verhängt, über das mitverhandelt wird - wirkt daneben wie eine Lappalie.
Ob und in welchem Ausmaß sich die drei Angeklagten der nationalsozialistischen Wiederbetätigung schuldig gemacht haben, werden die Geschworenen zu entscheiden haben. Als sicher gilt, dass die Anwälte gegen das Urteil eine Nichtigkeitsbeschwerde einlegen werden.
Für Gottfried Küssel sei es, so die Vermutung seines Verteidigers, jedenfalls der letzte Prozess nach dem Verbotsgesetz gewesen. Er will seinen Kindern ein guter Vater sein und das funktioniert hinter Gittern nicht so gut.