Kopf sagt, Bauch sagt

Arbeitszwang

Wie prekär es ist, seinen Job zu mögen. Ein Streitgespräch zwischen Kopf und Bauch – in dem nicht immer klar ist, wer wer ist. Über individuelle Verantwortung in einem verantwortungslosen System.


Der Kopf:    „Wie geht’s?“ 
Der Bauch: „Echt gut! Ein bissal müde…“ 
Der Kopf:    „Wieso?“
Der Bauch: „Gestern 15 Stunden gearbeitet, vorgestern 12.“
Der Kopf:    „Was? Wo? Wie?“ 
Der Bauch: „Na bei der Firma soundso. Meetings, eine Veranstaltung, und so…“
Der Kopf:    „Wie 15 Stunden? 12 Stunden? Wie geht das? Das Arbeitszeitgesetz sagt doch nicht mehr als zehn Stunden am Tag.“
Der Bauch: „Ja, is‘ eh klar. Ich schreib eh nur zehn Stunden.“
Der Kopf:    „Hä?“
Der Bauch: „Ja mehr als zehn Stunden darf man nicht arbeiten. Das wissen die und das weiß auch ich.“ 
Der Kopf:    „Hä?“
Der Bauch: „Ja den Rest trag ich halt nicht ein.“
Der Kopf:    „Also die fünf Stunden sind unbezahlt?“
Der Bauch: „Ja.“
Der Kopf:    „Weil’s wegen dem Arbeitszeitgesetz nicht erlaubt ist, mehr zu arbeiten, als zehn Stunden, sind die illegalen Stunden unbezahlt?“
Der Bauch: „Genau. Jetzt hast du’s verstanden!“
Der Kopf:    „Spinnst du?“
Der Bauch: „Nein, wieso?“
Der Kopf:     „Wieso machst du das?“
Der Bauch: „Ich mag den Job.“
Der Kopf:    „Du arbeitest gern 15 Stunden, davon fünf Stunden unbezahlt?“
Der Bauch: „Ja, ich mag halt meinen Job.“
Der Kopf:    „Du arbeitest gern 15 Stunden, davon fünf Stunden unbezahlt?“
Der Bauch: „Den Job find‘ ich gut.“
Der Kopf:    „Du arbeitest gern 15 Stunden, davon fünf Stunden unbezahlt?“
Der Bauch: „Na ich kann mir schon besseres vorstellen…“
Der Kopf:    „Und was?“
Der Bauch: „Du verstehst das nicht. Ich mag den Job und ich kann doch nicht einfach sagen, ich geh jetzt nach Hause, wenn grad eine Veranstaltung oder ein Termin oder so was is‘.“ 
Der Kopf:    „Wieso nicht?“
Der Bauch: „Na, dann hab ich den Job nicht lang, dann hat ihn wer anderer.“
Der Kopf:    „Aber der andere verstoßt ja dann auch gegen das Arbeitszeitgesetz.“
Der Bauch: „Ja, aber der hat dann den Job.“
Der Kopf:    „Der arbeitet dann zehn Stunden und fünf Stunden unbezahlt?“
Der Bauch: „Genau!“
Der Kopf:    „Und bevor es wer anderer macht, machst es lieber du?“
Der Bauch: „Richtig!“
Der Kopf:    „Und weil du es machst, müssen es alle anderen nach dir auch machen!“
Der Bauch: „Hä?“
Der Kopf:    „Du bist der vor dir, der dich zwingt, das zu machen, obwohl du dir besseres vorstellen kannst.“
Der Bauch: „Hä?“
Der Kopf:    „Wenn du es nicht machst…“
Der Bauch: „…machen‘s die anderen!“
Der Kopf:    „Du bist die anderen!“
Der Bauch: „Ja besser ich, als die anderen.“
Der Kopf:    „Hä?“
Der Bauch: „Ja wenn die sich alle an die Gesetzte halten würden, würd‘ ich’s auch tun… ich hab ja nicht damit begonnen. Und wenn ich’s nicht mach, macht’s wer anderer.“
Der Kopf:     „Gegen Arbeitszeitgesetzte verstoßen?“
Der Bauch: „Genau.“
Der Kopf:    „Deswegen machst du es? Weil du sonst nicht die Chance bekommst gegen Arbeitszeitgesetze zu verstoßen?“
Der Bauch: „Genau. Ja und weil ich den Job mag.“
Der Kopf:    „Aber besseres gibt’s schon?“
Der Bauch: „Ja sicha.. maah.. Freizeit und so.. aber um das geht’s ja nicht!“
Der Kopf:    „Du arbeitest 15 Stunden, fünf davon unbezahlt, besseres gibt’s schon: Freizeit. Aber um das geht’s nicht?“
Der Bauch: „Was soll ich machen? Sonst hab ich garkeinen Job.“
Der Kopf:    „Und wenn sich alle ans Arbeitszeitgesetz halten würden?“
Der Bauch: „Na dann würd sich irgendwer nicht dran halten und den Job kriegen.“
Der Kopf:    „Und wenn sich alle ans Arbeitszeitgesetz halten würden?“
Der Bauch: „Hä? Was verstehst du da nicht?“ 
Der Kopf:    „Na wenn sich alle an das Arbeitszeitgesetz halten würden.“
Der Bauch: „Na dann würd der den Job kriegen, der sich nicht dran haltet.“
Der Kopf:    „Und wenn sich alle dran halten?“
Der Bauch: „Ja wenn das alle machen, dann wär das schon besser, aber das passiert ja nicht.“
Der Kopf:    „Wieso nicht?“
Der Bauch: „Na weil dann der den Job bekommt, der sich nicht dran haltet.“
Der Kopf:    „Und das bist grad du.“