Reportage

Kärnten

Dort, wo Tirol an Salzburg grenzt, liegt – no na ned – Kärnten. Das südlichste österreichische Bundesland fällt vor allem durch seine landschaftlichen Reize, sowie sein eigenwilliges Verhältnis zu Minderheitenrechten und dem gesunden Menschenverstand auf


Weiche Sprache - harter Kern

Südlich der Tauern, wo es mehr Seen als zweisprachige Ortstafeln gibt und die Menschen Golautschnig, Glabutschnig und Schaunig heißen, liegt die Heimat der Kärntner. Sie sprechen einen Dialekt, der so viel kantenloser ist als ihr Wesen. Völlig frei von harten Konsonanten, vermittelt er ein Gefühl von linguistischer Weichheit, wie man es in Österreich kein zweites Mal findet. Wer sprechen will wie ein Kärntner, muss sich zumindest die Zunge betäuben lassen und reichlich LSD schlucken. Andererseits bildet dort auch, felsenfest vom Germanentum überzeugt, das auch eine slowenische Großmutter nicht erschüttern kann, die freiheitliche Elite Österreichs ein schwachgeistiges Bollwerk gegen die permanent drohende Invasion der Südslawen. Und so versteht es sich von selbst, dass die ortsansässigen Slowenen als Gäste betrachtet und dementsprechend klein gehalten werden. Viele schrecken auch nicht davor zurück, sich todesmutig auf drei Millimeter starkes Ortstafelblech zu werfen, um das Land vom slawischen Topographieimperialismus zu befreien. Dass die Slowenen schon gute 200 Jahre länger auf dem Gebiet des heutigen Kärnten siedeln als die deutschsprachige Mehrheitsbevölkerung, stört da nicht im Mindesten. In Kärnten lässt man sich nicht von Fakten beeindrucken, schon gar nicht von historischen.


Die leidigen Taferln und ihre Geschichte

Kärnten ist ein Land mit vielen Wunden, die erst langsam vernarben. Über Jahrhunderte haben sich dort germanisch/slawische, faschistisch/kommunistische, österreichisch/jugoslawische und deutschsprachig/slowenische Grabenbrüche aufgetan. Nach dem Ersten Weltkrieg versuchte das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, die Abtretung Südkärntens durch Volksabstimmung zu erreichen. Doch die Kärntner – auch viele slowenischsprachige – entschieden sich für Österreich. Wie wichtig ihnen dabei das „Volkstum“ war, zeigt das Beispiel der mehrheitlich deutschsprachigen Stadt Ferlach. Sie stimmte mehrheitlich für den Anschluss an Jugoslawien, weil Ferlach von der Waffenproduktion lebte und dort im Gegensatz zu Österreich Wehrpflicht bestand. Der Abwehrkampf, die Vertreibung vieler Slowenen durch die Nazis, die Partisanen und der Ortstafelsturm haben trotzdem ihre Spuren hinterlassen. Man könnte jetzt aufzählen, wer, wann, von wem und wie viele enteignet, vertrieben, interniert oder umgebracht hat und wurde, am Ende bliebe doch wieder nur das alte Bild der Feindseligkeit, das in den 70ern die gewaltsame Demontage von Ortstafeln ausgelöst und in den letzten Jahrzehnten die kreativen Verfassungsinterpretationen der Kärntner Landesregierung ermöglicht hat.


Das Land der Schulden und Unschuldigen

Doch Kärnten kann auch überraschen, positiv, meine ich jetzt. Tatsächlich hat man sich im letzten Jahr auf die Lösung der Ortstafelfrage verständigt: Ein Wunder! Dass Kärnten nun frei von allen Problemen wäre, kann man aber auch nicht behaupten. Immerhin stieg die Landesverschuldung von 2005 auf 2010 um fast 110 Prozent. Jeder Kärntner ist mit 2.548 Euro öffentlichen Schulden aus dem Landesbudget belastet, damit steht das Land an der Spitze Österreichs. Die Politik macht sich allerdings wenig daraus und gewährt fleißig weiter Bonuszahlungen an Alte, Führerscheinneulinge und Lederhosenträger. Alternative Refinanzierungsversuche über potente russische Staatsbürgerschaftsanwärter haben sich mittlerweile als Fehlschlag erwiesen und werden mitunter strafrechtlich verfolgt. Das führt aber natürlich weder zu Rücktritten noch zu Schuldeingeständnissen der Betroffenen. Ja, man hat eine Parteispende für eine Staatsbürgerschaft verlangt, weil man die aber nicht selber vergeben, sondern sich nur dafür einsetzten konnte, war das selbstverständlich nicht illegal. Was überall sonst Gerechtigkeit heißt, nennt man in Kärnten daher gerne Schmutzkübelkampagne, Gesinnungsjustiz oder linke Menschenhatz.


Das andere Kärnten

Aber natürlich sind nicht alle Kärntner monochrome Ewiggestrige die Veit Josef Poglitsch oder Kriemhild Hemma Globotschnig heißen. Nein, es gibt auch liebe, nette und äußerst sympathische Kärntner - und die sollen nicht unerwähnt bleiben. Schließlich müssen sie die grenzdebile Impertinenz ihrer Landespolitiker duldsam ertragen und mitansehen, dass die Sonne in ihrem Bundesland vom Himmel fällt, wenn es den Landeshauptmann im Vollsuff aus der Kurve trägt, sie aber dafür laut neuem Landeschef gleich doppelt wieder aufgeht, wenn der Dalai-Lama zu Besuch kommt. Wem es gelingt, im Land von Licht und Schatten ein einigermaßen normales Leben abseits von Minorisierungsparanoia und Gesellschaftsneurosen zu führen, verdient Anerkennung und Respekt. Denn ein bisserl daneben zu sein ist in Kärnten eigentlich „part of the game“.


Kärntner Landesverfassung

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