Moskau
Was macht Österreich mit den ersten Putin-Flüchtlingen?
Die ersten Russen flüchten bereits vor dem neuen Regime - die ersten Asylansuchen in Österreich sind nur eine Frage der Zeit.
Die Fluchtbewegung hat begonnen. Seit die Führung unter Wladimir Putin ihre Abrechnung mit der Protestbewegung des vergangen Winters gestartet hat, haben laut Medienberichten bereits mehr als ein Dutzend Oppositioneller das Land verlassen. Zumindest einer von ihnen hat auch nicht mehr vor nach Russland zurückzukehren: Alexander Dolmatov, Aktivist und Raketeningenieur, hat in den Niederlanden um Asyl angesucht. Laut seinen Anwälten sollte er gute Chancen habe als politischer Flüchtling anerkannt zu werden. Die Verfolgung der Organisatoren der Großdemonstrationen im Winter hat klar politischen Charakter. Mehrere Dutzend Aktivisten sitzen in Haft, es gab hunderte Hausdurchsuchungen und andere Maßnahmen, die sich sogar nach dem flexiblen russischen Recht nicht rechtfertigen lassen.
Opposition in der Psychiatrie
Es bleibt nicht bei einfachen Verhaftungen und Hausdurchsuchungen. Russische Medien berichten darüber, dass zumindest einer der Verhafteten in eine psychiatrische Klinik eingeliefert wurde, wo ihm gegen seinen Willen unbekannte Substanzen gespritzt worden sein sollen - eine Erinnerung an die Sowjetunion der 1970er, in der es keine politischen Gefangenen aber dafür gut gefüllte Psychiatrien gab.
Die Repressionen beschränken sich nicht auf die politische Opposition; kulturell oder sozial unerwünschte Personen müssen mit Strafverfolgung rechnen. Es reicht hier den Fall "Pussy Riot" zu erwähnen: Drei Mitglieder der Band sitzen seit Februar in Untersuchungshaft, ihnen drohen wegen ihres "Auftritts" in der Christ-Erlöser-Kathedrale mehrjährige Haftstrafen. Die zwei anderen Band-Mitglieder sind ins Ausland geflüchtet und wurden zuletzt in der Tschechischen Republik gesehen. Aus Sicht von Amnesty International sind die drei jungen Frauen politische Gefangene.
Österreich ist ein Land, das bei der russischen Mittelschicht sehr beliebt ist, genau bei jener Gruppe, die jetzt von politischer Repression betroffen ist. Es lebt bereits eine relativ große Gruppe von RussInnen in Österreich, die mit der Opposition sympathisiert: Bei der letzten Präsidentschaftswahl hat Michail Prochorow in Österreich mehr Stimmen bekommen als Wladimir Putin. Man kann also davon ausgehen, dass es nicht lange dauern wird, bis die ersten russischen Putin-Flüchtlinge in Österreich auftauchen werden.
Es wird interessant sein, wie die Republik auf mögliche Asylansuchen reagieren wird. Die Fakten sind klar: In Russland wird die Opposition politisch verfolgt, wer sich gegen das Regime engagiert, muss mit mehr oder weniger harten Sanktionen rechnen - ein ganz klassischer Asylgrund. Wird Österreich deshalb seine traditionell freundlichen Beziehungen mit Russland aufs Spiel setzen? Oder werden die ersten politischen Putin-Flüchtlinge abgeschoben, quasi eine Wiederholung des Falles Golovatov unter anderen Vorzeichen?
Spindelegger: Pussy Riot? Nie gehört!
Momentan schaut es eher nach Zweiterem aus. Der tschechische Außenminister Karl Schwarzenberg hat sich vor kurzem öffentlich mit den jungen Frauen der Band Pussy Riot solidarisiert. Sein österreichischer Kollege Michael Spindelegger meinte hingegen, als das Thema im Parlament von der grünen Abgeordneten Judith Schwendtner angesprochen wurde, er habe noch nie von dem Fall Pussy Riot gehört. Vermutlich eher früher als später wird sich wohl auch Österreich mit der Frage beschäftigen müssen, wie es mit den neuen politischen Flüchtlingen aus Russland umgehen soll.