Reportage

Niederösterreich

Zwischen Tschechien und der Steiermark liegt das Land mit der hässlichsten Hauptstadt der Welt und der angeblich höchsten Museendichte Europas: Niederösterreich. Der flächenmäßig größte und nach Bevölkerung zweitgrößte Teilstaat der Republik gilt als Kernland und Wiege der österreichischen Kultur.


Niederösterreich wird seit 1992 vom ewigen Erwin regiert, der erklärt hat, nur das Buch „Schatz im Silbersee“ gelesen zu haben. Das sollte wohl eine humoristische Untertreibung sein, denn vermutlich hat sich der gute Pröll auch Werke á la „Staatsverschuldung leicht gemacht“ und „Machterhalt für Fortgeschrittene“ zu Gemüte geführt. Ansonsten wäre wohl weder seine 20-jährige Amtszeit, noch die enorme Landesverschuldung zu erklären. Dass die niederösterreichische ÖVP keinesfalls schuld an der finanziellen Miesere ist, hat sie kürzlich im Landtag unter Beweis gestellt, in dem sie dem vernichtenden Bericht des Rechnungshofes die Kenntnisnahme verweigerte.

 


Eine Scheidungsgeschichte

Niederösterreich, das sich mit dem Wald-, Wein-, Most- und Industrie- in logischerweise vier Viertel teilt, hat denselben verwaltungsreformatorischen Ursprung wie Oberösterreich. Als Erzherzogtum Österreich unter der Enns diente es den Habsburgern seit Rudolf dem Stifter als Legitimation ihres archidukalen Fantasietitels. Bald nach der Gründung der Republik fand durch das Trennungsgesetz am 1. Jänner 1922 die Scheidung von Wien statt, das seitdem das einzige Binnenbundesland Österreichs ist. Die Gründe für die Teilung waren vielfältig. Zum einen lebten in Niederösterreich (mit Wien) die Hälfte aller Österreicher, zum anderen waren die Wiener mehrheitlich sozialdemokratisch, die ländlichen Niederösterreicher mehrheitlich konservativ eingestellt. Die politische Flurbereinigung hielt bis zum Anschluss 1938, als Wien auf Kosten Niederösterreichs durch die Nazis weiter vergrößert wurde und Niederösterreich, das nun „Niederdonau“ heißen musste, mit Krems an der Donau eine eigene „Gauhauptstadt“ bekam.


Die hässlichste Hauptstadt des Planeten

Nach dem Krieg wurde Niederösterreich von den Russen besetzt. Mit Wien musste eine neue Landesgrenze ausverhandelt werden. Das stark rückständige Land litt unter den Fabriksdemontagen der Sowjets ebenso wie unter dem später hochgezogenen Eisernen Vorhang. Um die Tragik der eigenen Existenz etwas besser zu ertragen, beschloss man schließlich, sich eine eigene Hauptstadt anzuschaffen. Nur wer bei der Volksbefragung mit „ja“ stimmte, durfte anschließend unter den Hauptstadtkandidaten den eigenen Favoriten auswählen. Um die nötige Zustimmung zu erreichen, setzte man daher auch einige chancenlose Städte wie Baden und Tulln auf die Liste. Am Ende gewann das ohnehin bevorzugte St. Pölten, das seit 1986 die jüngste und zugleich unansehnlichste Landeshauptstadt Österreichs ist. Mit Klangturm und Retortenlandhausviertel ausgestattet vegetiert es als ein Abglanz all dessen vor sich hin, was einmal als repräsentativ und hauptstädtisch galt.


Eine Erwinfreie Zukunft

Seit 1945 wurde Niederösterreich von acht schwarzen Landeshauptmännern regiert, wobei Leopold Figl zweimal (1945, 1962-1965) amtierte. Seit zwei Legislaturperioden herrscht besagter Vielleser Pröll mit absoluter Mehrheit. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich das bald ändern könnte, es sei denn der halbglatzerte Erwin hat vor 2016 als 70jähriger bei der Bundespräsidentenwahl anzutreten. Sonst bleibt er wohl noch 20 Jahre in St. Pölten. Wer einmal das Video gesehen hat, in dem der Vertreter der katholischen Volkspartei einen Dorfpfarrer wie den letzten Dreck abkanzelt, wünscht sich etwas anderes - für Niederösterreich und für Österreich als Ganzes.


Niederösterreichische Landesverfassung

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