Reportage

Die Gossenzeitung

„Bitte nicht weglaufen, muss auch Essen kaufen, bitte Augustin kaufen.“


Dieses Lied hört man auf den Straßen Wiens öfter. Es ist das Lied eines Augustinverkäufers. Gerade dieser ist auch bei Festivals sehr bekannt. Dort wird die Einnahmequelle variiert, das Lied mal umgeschrieben: „Bitte liebe Leute, muss auch nach Hause fahren!“. Geld verdient er hier mit den Bierbechern der Leute. Auf die gibt es nämlich Pfand.

 

Über solche Menschen wie ihn, die an öffentlichen Orten Straßenzeitungen verkaufen, wird meist in einem sehr negativen Ton berichtet: aufdringlich, verschandeln sie das Bild der Bezirke, wirken für viele wie illegale Migranten.

Eigentlich gibt es gar nichts positives, was über diesen Typ Mensch berichtet wird. Außer in der Zeitung Augustin. Der Augustin versteht sich nicht ausschließlich als Zeitung, durch deren Verkauf sozial benachteiligte Menschen unterstützt werden. An deren Verästelung hängen noch ein Radiosender, eine Fußballmannschaft und diverse andere Projekte. Im Mai diesen Jahres war eine Spendenaktion ins Leben gerufen worden, um die Straßenzeitung über Wasser zu halten.

Der Grund hierzu ist in den Verkaufszahlen zu suchen, die schon seit einigen Jahren rückläufig sind. Es wurde eine bestimmte Anzahl von Förderern gesucht, 333, um genau zu sein, die 25 Euro monatlich spenden. Nicht mehr, denn es sollte kein Profit erzielt werden. Vordergründig war die Stabilisierung des Blattes. 

Aber was ist passiert, das so etwas notwendig geworden ist? Was ist der Grund, dass der Augustin Hilfe braucht? Ähnlich wie jene, die von ihm unterstützt werden.


Eine Reise zum Augustin

Evi Rohrmoser ist Redakteurin beim Augustin. Sie zählte einige Gedanken auf, wie diese Krise entstanden sein könnte: Gratiszeitungen wie „Heute“ und „Österreich“, die vermehrt in der U-Bahn gelesen werden. Die geminderte Attraktivität des Augustin, durch nicht mehr ansprechende Artikel oder Themen. Die allgemeine Krise der Printmedien an sich.

Ein Punkt ragt aber, wie ein Eisberg, heraus: Nämlich das Bettelverbot in Österreichischen Städten. Das soll sich auch dahingehend auswirken, das den Kolporteuren erschwert wird, ihre Zeitungen zu verkaufen. Da wird überlegt, ob man sich an eine Ecke stellt. Andere Medien wiederholten diesen Punkt, fast schon wie bei einer tibetischen Gebetsmühle.Die Straßenzeitung Augustin hat ein Problem, weil der Verkauf auf der Straße erschwert wird. Viele Zeitungen nahmen das auf und schoben es voran. Andere Gründe gab es natürlich auch, aber keines schien so wichtig wie dieses Bettelverbot.

 

Einen Widerspruch ergab sich im Gespräch mit Evi Rohrmoser: In der Redaktion ist gerade ein Denkprozess am Laufen. Worüber nachgedacht wird, sind die oben erwähnten Fragen. Unter ihnen ist auch eine Überlegung, den Verkauf an sich, also mit den Kolporteuren zu verändern. Das Bettelverbot ist problematisch, dem wird hier vordergründig nicht widersprochen. 

Aber wenn Artikel geschrieben werden, die über negative Konsequenzen für die Verkäufer erzählen, während eine Straßenzeitung dieses Konzept selber hinterfragt, dann ist das eben ein Widerspruch. Es kann sowieso nicht in Prozent ausgedrückt werden, woran es liegt, dass sich der Augustin nicht mehr gut verkaufen lässt.


Fragt man die Verkäufer persönlich, sollte mit einer wenig begeisterten Antwort gerechnet werden.Es wurde zwar keine Statistik für diesen Artikel angelegt, wo ALLE Augustinverkäufer befragt wurden. Recht interessant waren die Personen aber auch, weil alle unterschiedliche Motivationen hatten. Klar Geld verdienen. Aber einer machte das z.B., um die Zeit bis zu seiner Sozialhilfe zu überbrücken. Die Antwort kreiste immer um ein Nein.

Subjektive Wahrnehmung, selbstverständlich. Es hatte sich aber auch gezeigt, dass vielen die Laufkundschaft weggebrochen ist.Diesen Leuten nutzt es wenig, das nicht gesichert ist, woran dieser Rückgang liegt.

Die stehen weiter da draußen.

   

Übrigens, der Sänger von vorhin, hat einen prall gefüllten Terminkalender mit Konzerten und Festivals. Und er erkennt oft einen wieder, klopft auf die Schulter und klappt diesen Terminkalender auf. „Judas Priest kommt in die Arena. Musst du dir anhören!“