Kommentar

Eine Crackhöhle für Cineasten

Es ist schwer, einen Film auszusuchen. Das ist keine Floskel, nur weil ich nicht wusste wie der erste Absatz aussehen sollte. Es ist nur so, wenn man sich das Programm eines Festivals wie der Viennale ansieht, kann eine leichte Ratlosigkeit entstehen.


Aber, ich muss mir dennoch eingestehen, das ich meinem Herzen gefolgt war. Ich wählte den Film Alien aus. Regie Ridley Scott, aus dem Jahr 1979. Ja ja, ich weiß! Man stelle sich eine Liste mit dutzenden von Avantgarde-Filmen aus ebenso vielen Ländern und Kulturen vor. Und ich komm auf so etwas. Sei es wie es wolle, ich wollte mir also den Schinken mit Sigoerneuy Weaver ansehen. Aber, keine Karten vorhanden. Zurück zum Start. Da waren also wieder diese ganzen Filme. Wenn es keine Anhaltspunkte gibt, also man den Regisseur nicht kennt, dann kann nur die kurze Beschreibung studiert werden, die es zu jedem Film zu lesen gibt. Ein portugiesisches Mädchen verliebt sich während der Nelkenrevolution 1974 in einen Offizier der Armee. Er steht im Dienst der Militärjunta, die Familie der jungen Frau aber besteht aus Oppositionellen. Die beiden werden in den Konflikt hineingezogen und fliehen dann zusammen aus Portugal. Auf einem Bild gehen sie eine verstaubte Straße entlang. Klingt das gut? Wie auch immer, das war nämlich nur erfunden. Ein Film mit so einer Geschichte wird nicht gezeigt. Aber wenn es auf der Viennale Homepage zu lesen wäre, würden Sie ihn aussuchen? Würde ich ihn mir aussuchen?


Das, was ich schließlich tat, um dieses Dilemma zu lösen, war, ich nahm einfach die Uhrzeit als Orientierungspunkt. Die Auswahl war wie folgt: 19:00, Fremde. 23:00, Hannah and her Sisters. Von Woody Allen. Aber, auch das funktionierte nicht. Ich kam nicht einmal zum ersten Termin rechtzeitig. Man hätte das sowieso auch als eine Flucht in die Übertreibung sehen können. Ein Film reicht da nicht. Nein, mein Herr, da müssen es drei sein. Besser Vier, oder Fünf......... Die zwei Filme wurden es also auch nicht. Terminliche Schwierigkeiten. Aber hinter her bereue ich keinen dieser Umstände. Denn ich sah einen Film, der wirklich gut ist. Csak A Szel. Ein ungarischer Film, der die Verfolgungen von Roma beleuchtet. Er ist fiktiv, hält sich aber an Fakten von Polizeiberichten.


Um nicht den Inhalt des Filmes zu verraten, werden „nur“ ein paar positive Dinge aufgezählt. Das Mädchen, das nie ihren Kopf hebt, ist in diesem Film häufig zu sehen. Ihr Blick ist immer Richtung Erdboden geneigt, auch wenn sie gerade steht und ihr Blick physisch gerade sein muss. Zwei Drittel des Filmes erzählen die jeweiligen individuellen Reisen von den Mitgliedern einer Roma-Familie. Mit Reisen sind die Stationen in ihrem Alltag gemeint, die sie passieren. Diese Stationen, die Fahrt in die Schule im Schulbus, das Rauchen einer Zigarette in der Pause bei der Arbeit, werden auf eine Art gezeigt, die oft von Kritikern mit „schonungslos“, und „puren Realismus“ beschrieben werden. Man sieht einfach nur wie sie leben. Von Substanzen benebelte Arbeitslose, die in Slumartigen Hütten wohnen. Rassisten, die mehr oder weniger dezent ihre Meinung vertreten. Die Roma um die es geht, erleben es. Aber ohne dramatische Fanfarenstöße die einen hineinpacken in die Handlung. Es gibt keine Stimme aus dem Off, die sagt, „das ist schlimm und das auch.“ Es ist auch kein Dokumentarfilm, weil diese Form des fiktiven Erzählens auch einen Spielraum für die Emotionen lässt. Man sieht keine einzelnen Episoden aus ihren Alltag, sondern eine komponierte Handlung, die auf etwas zusteuert.

Und dieses Etwas, dieses Ende ist hart. Aber das verrate ich nicht.


Viele Filme stehen auf meiner Liste, die ich noch abhacken möchte. Alien natürlich auch. Ich komme da noch rein, zum Teufel! Filmtipps gebe ich keine. Aber ich möchte jeden empfehlen, die Augen zu schließen und einfach auf einen zu deuten. Auf einen Film.  


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