Reportage
100 Sekunden Prom
Vier weitere Jahre für Obama. Aber wo steht das Land? Lukas David Wagner und Harald Triebnig haben mit schönen Bildern einen Ausschnitt der amerikanischen Gesellschaft gezeichnet.
Spricht man über das Bildungssystem in den USA so denkt man unweigerlich an Eliteuniversitäten wie Harvard, Princeton oder Stanford. Diese Bildungseinrichtungen stehen für hohes Prestige und sind bekannt dafür von ihren Studenten ebenso hohe Gebühren zu fordern. Bis zu 45.000 Dollar pro Jahr kostet das Studium an den teuersten Universitäten.
Weit weniger bekannt ist, dass meist nur ein geringer Teil der Kosten von den Studierenden selbst getragen werden muss. In den USA besteht ein umfangreiches Netz an staatlichen Förderungen, wie der Federal Student Aid, welche jungen Menschen aus allen sozialen Schichten ein Studium ermöglichen sollen. Diese staatlichen Zuschüsse müssen nach Beendigung des Studiums nicht zurückgezahlt werden. Ebenfalls recht unbekannt sind die Schwächen des amerikanischen Systems. Im internationalen Vergleich der OECD belegen die USA in allen PISA-Kategorien nur mittelmäßige Platzierungen. Laut einer Studie des US-Bildungsforschungsinstituts EPE Research Center erreichen 69,9 Prozent aller amerikanischen Schüler das High School Diploma, welches den erfolgreichen Abschluss einer weiterführenden Schule bescheinigt. Somit bricht fast jeder Dritte die Schullaufbahn ab. Die Herkunft spielt dabei eine große Rolle. 76,2 Prozent aller weißen Schüler schaffen das Diplom, bei Jugendlichen mit afroamerikanischen und lateinamerikanischen Hintergrund liegt der Wert unter 60 – bei asiatisch Stämmigen sind es hingegen 80 Prozent.
Ganz egal welcher Ethnie die Schüler angehören, der Abschlussball am Ende der High School stellt meist den Höhepunkt der Schulzeit dar. Die sogenannte Prom, welche Inhalt unzähliger Hollywood-Produktionen ist, wird von der Schulführung veranstaltet und hat einen hohen sozialen und gesellschaftlichen Stellenwert.
Die Auswahl scheint schier unbegrenzt - in den USA existieren über 1800 Fernsehsender, 10.000 Tages- und Wochenzeitungen und rund 15.000 Radiosender. Die Tradition des öffentlich organisierten und gemeinnützigen Rundfunks ist in den USA jedoch weitaus überschaubarer als in Europa. Erst seit den späten 1960er Jahren gibt es in den Staaten Public Radio und Public Television. Mittlerweile existieren 700 öffentliche Radiosender und 350 Fernsehsender, welche rund 30 Millionen Radiohörer und 65 Millionen Fernsehzuschauer versorgen. Im Gegensatz zu Österreich gibt es in Amerika keine Rundfunkgebühr. Die Sender finanzieren sich über Spenden der Konsumenten, private Förderungen und staatliche Mittel. Wobei diese Gelder aus dem Bundesetat sehr umstritten sind und besonders die Republikaner sich immer wieder gegen solche Unterstützungen aussprechen. Die Federal Communications Commission (FCC) limitiert die Zahl an Radios, die eine Person bzw. ein Unternehmen besitzen darf, um Monopolstellungen zu vermeiden.
Rundfunksender bekommen in den USA bei der Lizenzierung ein Rufzeichen zugewiesen: Sender die ihren Standort westlich des Mississippi haben, bekommen Rufzeichen mit dem Anfangsbuchstaben "K", Sender östlich des Mississippis ein "W“. Dieses Rufzeichen und die Stadt aus der gesendet wird, muss jeder TV- und Radiosender einmal pro Stunde nennen. Die letzten drei Buchstaben des Rufzeichens sind frei wählbar und gegen eine Gebühr jederzeit änderbar. Das offizielle Rufzeichen für den Radiosender Q 92.3 in Rapid City ist KQRQ.
Freier Waffenbesitz ist in den USA tief verwurzelt. Mehr als 40 Prozent aller Haushalte besitzend zumindest eine Waffe. Tragische Ereignisse, wie jenes vor wenigen Tagen in Newtown, führen zwar zu Diskussionen über schärfere Waffengesetze, in der Vergangenheit waren diese aber meist nur von kurzer Dauer. Es ist zu erwarten, dass die Politik auch diesmal das Thema bald wieder fallen lässt. Man fürchtet wohl um Wählerstimmen, sollte man sich für härtere Richtlinien aussprechen. Darum wurde der Thematik auch im Wahlkampf 2012 kaum Beachtung geschenkt. Bei einer Umfrage des Nachrichtensenders CNN sprachen sich im August dieses Jahres 50 Prozent der befragten Amerikaner gegen größere Einschränkungen des Waffenbesitzes aus. Und das obwohl in den USA jährlich etwa 30.000 Menschen durch Schusswaffen sterben.
guns don’t kill people, people kill people – Menschen töten aber auch Tiere. Zum Beispiel Bisons: Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts sogar so viele, das s nur noch wenige hundert Stück übrig blieben. Dank landesweiter Initiativen hat sich die Zahl der Tiere in den letzten Jahren wieder auf eine halbe Million vergrößert. Die Jagd auf Bisons ist in Amerika eine der wenigen Großwildjagden, die das ganze Jahr über erlaubt ist. Allerdings gibt es strenge Auflagen und eine zeitlich begrenzte Lizenz muss für den Abschuss eingeholt werden.
Zwischen Juli 2010 und 2011 war in den USA weniger als die Hälfte aller Neugeborenen weiß.
Laut U.S. Census sind 50,4 Prozent der Babys schwarzer, asiatischer, indianischer, hispanischer oder multiethnischer Herkunft. Bei anhaltender Entwicklung werden im Jahr 2060 die Weißen in Amerika eine Minderheit darstellen. Derzeit machen sie noch rund 70 Prozent der Bevölkerung aus. Rund 13 Prozent sind Schwarze. Eindeutige ethnische Verhältnisse gab es in den USA jedoch zu kaum einem Zeitpunkt. Denn seit jeher sind die Vereinigten Staaten von Amerika ein Einwanderungsland.
Nach der Entdeckung Amerikas kamen zunächst Spanier, Franzosen und Engländer über den großen Teich. Es folgten weitere Einwanderungswellen - die Holländer siedelten sich im 17. Jahrhundert an, die schottischen Iren kamen im 18. Gründe nach Amerika zu kommen gab es viele: etwa den kalifornischen Goldrausch, die Pogrome gegen Juden in Russland oder den Ersten Weltkrieg.
Bereits seit der Kolonialzeit fand auch eine Einwanderung aus afrikanischen Ländern statt. Wobei die meisten dieser Zuwanderer als Sklaven nach Nordamerika kamen. Zu dieser Zeit galt die „One-Drop-Rule“. Wer „einen Tropfen schwarzes Blut“ in sich trug – wem also ein afrikanischer (schwarzer) Vorfahre nachgewiesen werden konnte - galt, ungeachtet seines Erscheinungsbildes, als „Negro“. Diese Regel verlor erst in den 1960er Jahren an Bedeutung. Heute leben rund 40 Millionen Afroamerikaner in den Vereinigten Staaten von Amerika. Ein Teil von ihnen stammt aus dem südost-afrikanischen Binnenstaat Malawi.
Englisch gilt spätestens seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs als Weltsprache. In den USA ist es allerdings nicht einmal offizielle Amtssprache – denn eine solche gibt es dort nicht. Rund 340 Millionen Menschen weltweit haben Englisch als Muttersprache, der Großteil davon lebt in den Vereinigten Staaten.
Dass amerikanische Englisch unterscheidet sich von seinem britischen Pendant nicht nur im Vokabular: autumn/fall, cotton/thread, jug/pitcher oder mudwing/fender, sondern auch in Klang und Aussprache. Dabei scheint nicht nur das Englisch von der Insel seine Schwierigkeiten für Nicht-Muttersprachler mit sich zubringen, auch das amerikanische Englisch ist für viele selbst nach Jahren nur schwer zu beherrschen – darunter auch gestandene Ex-Gouverneure.
Hartnäckig wie Arnies Dialekt hält sich auch die Sage um Frederick Augustus Conrad Muehlenberg, der dafür verantwortlich gemacht wird, dass das Deutsche nicht offizielle Sprache in den Vereinigten Staaten von Amerika wurde. Trotzdem gibt es noch über eine Million Menschen in den USA, die Deutsch sprechen. Im Staat New York sind es knapp 70.000. Einer von ihnen ist Franz Dannecker.
Zweieinhalb Millionen Amerikaner haben das Jahr 2011 nicht überlebt – damit gab es in jenem Jahr in den USA mehr Todesfälle als Einwohner im westafrikanischen Land Namibia. Herzerkrankungen und Krebs sind die mit Abstand häufigsten Todesursachen – beinahe die Hälfte aller Todesfälle in den USA sind auf diese Krankheiten zurückzuführen.
Weitaus weniger – genau 34 Männer – starben im vergangenen Jahr durch Pentobarbital oder Thiopental. Injiziert in den Blutkreislauf führen die Schlafmittel zu Atemstillstand – und somit zum Tod. Als Paul Rohades am Morgen des 18. November starb, war er der letzte Todeskandidat, der in diesem Jahr durch eine Giftspritze hingerichtet werden sollte.
Um eine solche Exekution vollstrecken zu dürfen, muss man kein ausgebildeter Mediziner sein, auch wenn es davon landesweit rund 950.000 gibt. Über die Hälfte von ihnen sind Weiße, rund 12 Prozent Asiaten und 3,5 Prozent Schwarze, deren Ethnie wiederum 35 Prozent aller hingerichteten Todeskandidaten ausmacht. Noch verschwindender ist nur die Zahl der amerikanischen Ureinwohner unter den fast eine Millionen praktizierenden Ärzten. Es sind lediglich 1.594.
Mit dem gegenwärtigen Trend, Cannabis als pflanzliches Heilmittel einzusetzen, haben diese „modernen Medizinmänner“ jedoch nichts zu tun. In mittlerweile 19 Bundesstaaten ist medizinisches Cannabis erlaubt und wird in speziellen Ausgabestellen – so genannten Dispensarys an Patienten verkauft.
Trotz einer wachsenden Bevölkerung ist in den USA die Menge an produzierten Müll in den letzten Jahren rückläufig. Amerika bleibt aber weiterhin der größte Müllproduzent der Welt und weist eine Menge von 621.000 Tonnen Siedlungsabfällen pro Tag auf. Platz zwei belegt China mit 521.000 Tonnen vor Japan. Somit erzeugt jeder Amerikaner pro Tag zwei Kilo Hausmüll.
Rund dreimal so groß war die Menge Plutonium die sich in der Atombombe „Fat Man“ befand, welche die Amerikaner im zweiten Weltkrieg über Nagasaki abwarfen. 67 Jahre später ist die Angst vor japanischer Radioaktivität in den USA jedoch größer als umgekehrt. Als Folge des Tsunamis, welcher im März 2011 die japanische Küste traf, treiben Tonnen von Müll Richtung amerikanische Westküste. Experten glauben zwar nicht an die Radioaktivität des Treibguts, die Angst bei der Bevölkerung bleibt jedoch.
Sogar ein 45 Meter langer japansicher Fischtrawler namens „Ryou-Un Maru“ trieb lange Zeit rund 300 Meter vor der Küste des US-Staats Alaska. Der schwimmende Schrottkahn wurde von der US-Küstenwache versenkt um am Meeresgrund zu verrotten. Aus dem selben Grund landen jährlich fast zehn Millionen alte und kaputte Autos auf den Schrottplätze der Vereinigten Staaten.