Reportage

Er nannte sich Valkyria

Wrestling ist in Österreich etwas, das in Nischen der Bekanntheit ausgeübt wird. Über das Innere dieses Sportes und jene, die ihn betreiben.


In einer Arena schlagen sich zwei Männer mit Metalltabletts. Durch eine Unachtsamkeit entblößt einer der Kontrahenten seinen Rücken. Das Tablett verformt sich, als es gegen den Rücken prallt. Der Schlag schmerzt. Und der Gegenstand ist definitiv keine Requisite - wie beispielsweise ein "Saloonstuhl" aus alten Italowestern. Aber die Kämpfer wissen, wie sie zuschlagen können, um größere Schäden zu vermeiden. Diese theatralischen Moves, die man vielleicht einmal in einem Sportkanal im Fernsehen erblickt hat, ein 90-Kilo-Bär in Shorts fliegt über die Schultern eines anderen Bären und knallt wie eine Bombe auf den Ring, verlieren mit diesem Wissen versehen nicht an Reiz. Sieht wild aus. Aber auf Sicherheit wird geachtet.

Das ist die Ambivalenz des Wrestlings. Es ist ein Sport, aber auch Inszenierung. Typen, manchmal maskiert, oft eine Flagge schwingend stürmen einen Saal: Entweder unter Buhrufen oder von freudigem Gejohle begleitet. Das kommt ganz darauf an, wer den bösen Part in dem gegenwärtigen Fight übernimmt. "Fight" ist nicht unbedingt ein Fachterminus, der in der Disziplin Wrestling Anwendung findet. Aber er klingt gut. Die Rollenverteilung erklärt sich so, dass gewisse Kämpfe auf die Art konzipiert sind, wie Geschichten schon seit uralter Zeit nach folgendem Prinzip erzählt werden: Nämlich der Kampf zwischen Gut und Böse. Negative Emotionen sollen geweckt, gebündelt werden. Aber auch positive. Es ist nicht so wie bei einem Skirennen, wo der Schnellste gewinnt. Und kaum ein Skifahrer rennt durch die Zuschauermenge, klatscht ausgestreckte Hände ab, greift sich das Mikrophon, um einen Kollegen zu verhöhnen. Beim Wrestling sind das Sitten, wo die sportliche Leistung nicht im Vordergrund steht. Im Wrestling ist es das Publikum, die Show, die Stimmung.

Christian, der Wrestler

Christian Eichhorn ist Schotte, hat eine Affinität zur nordischen Götterwelt, kennt sich mit Wein aus, schreibt Drehbücher und sagt über sich: „Ich bin nicht interessant.“ Mit Sechzehn war er noch oder „nur“ ein Fan, bis ihm ein gewisses Videospiel seinen Weg kreuzte: SmackDown vs Raw.  Seiner Leidenschaft weiteren, neuen Treibstoff lieferten Ausschnitte auf YouTube. Ein kleiner amüsanter Zufall führte ihn noch tiefer in die Wrestlingwelt. Von seiner Familie her, die einen Gartenbetrieb besitzt, kam es einmal zu der Begebenheit, dass Christian die Hecken von jemandem schnitt. Dieser Jemand kam dann in seinen Garten, um nach dem Rechten zu sehen. Und dieser Jemand war Otto Vanz, österreichische Legende des Wrestlings. Nach einer Kontaktaufnahme folgten auch schon prompt die ersten Einweisungen in ein paar Techniken. Otto Vanz sollte zwar nicht zu seinem Lehrmeister werden, so wie es der Handlungsablauf eines Marschall-Art-Filmes eigentlich vorschreiben würde. Aber doch kann man sagen, dass es in diesem Garten den Startschuss für eine Professionalisierung gegeben hat. 

Ein Wrestler braucht vieles. Zu den Werkzeugen gehört ein Profil, einen Charakter entstehen zu lassen. Im Kampf oder vor dem Kampf geht es nämlich auch darum, eine Geschichte zu erzählen. Dieses Profil wird auch Gimmick genannt. Das kann dann auch so aussehen, dass einer mit Wikingerhelm und hoffentlich nicht echter Streitaxt, in den Ring steigt. Bei Christian war es eine Zeitlang en vogue, so eine Art psychisch labilen Charakter zu mimen. Einer davon war Alone . Zur Inszenierung gehört auch die Verhöhnung des Gegners am Anfang des Kampfes. Das wird auch Promo genannt. Christian sagt über sich, dass er dabei immer ganz spontan gewesen sei. Auch das, was ihn jetzt noch so an Wrestling fasziniert, ist die Tatsache, dass immer etwas Neues geschieht. Du weißt nicht, worauf du dich einlässt. "Beim Fußball ist der Ablauf immer derselbe. Aber nicht beim Wrestling." Die Ästhetik und die Überraschungen waren zwei der vielen Gründe, in den Ring zu steigen. Er kämpfte in Tak-Teams und hatte Auftritte in Orlando. 

Seit einiger Zeit muss er das Wrestling sein lassen. Knieverletzung. Aber kämpfen will er wieder. Den Sport nimmt er sehr ernst. Auf die etwas blöde Frage, gestellt nach einem Titelkampf, was denn an Wrestling lustig sei, sagt er: „Na, du hast dich doch unterhalten.“                            

        

 


Bild: Joseph A Ferris III. Bolivian Wrestling.El Alto wrestling La Paz, Bolivia (Flickr)