Moskau
Eure Schweine und unsere Schweine
Wie steht es in Russland mit den Menschenrechten? Sehr schlecht, meinen die USA und beschließen erste Sanktionen. Europa und Österreich wollen davon nichts wissen.
„Ihr lasst unsere Schweine nicht rein, wir lassen Eure Schweine nicht rein.“ So kommentiert der ehemalige Spin-Doktor des Kreml Gleb Pawlowski den Beschluss der sogenannten Magnitsky-Liste durch den US-Senat und die darauf folgenden Reaktionen aus Russland. Was war geschehen? Im Jahr 2009 starb der Anwalt Sergei Magnitsky in Untersuchungshaft in einem Moskauer Gefängnis. Magnitsky hatte für den Hedge-Fonds Hermitage Capital gearbeitet und mehrere Beamte wegen Steuerhinterziehung angezeigt. Genau diese Beamten brachten ihn ins Gefängnis wo er brutal misshandelt wurde und schließlich starb, weil er nicht medizinisch versorgt wurde. In Russland blieb der Fall ohne weitere Konsequenzen für die Täter. Doch der Chef des Hedge-Fonds William Browder wollte die Sache nicht auf sich beruhen lassen und startete eine intensive Lobbying-Kampagne die schließlich zur Magnitsky-Liste führte: Amtsträger aus Russland, die in den Tod Magnitskys oder andere Menschenrechtsverletzungen verwickelt sind, soll die Einreise in die USA verweigert werden. Noch schlimmer: Auch ihre Konten in den USA sollen eingefroren werden.
Oh Gott! Kein Wochenendhaus mehr in Sotschi!
Die russische Elite reagierte wütend und hilflos: Geplant ist eine Art Anti-Magnitsky-Liste mit amerikanischen Amtsträgern, denen die Einreise nach Russland verweigert werden soll. Im Internet kursiert dazu eine Fotomontage: Ein prustender Obama umgeben von lachenden amerikanischen Senatoren, dazu der Text: „Wir sind tot! Die Russen haben uns verboten unser Geld auf Konten russischer Banken zu legen. Das ist das Ende!“ Gelacht wird im russischen Internet auch über die Vorstellung, dass amerikanische Politiker jetzt ihre Wochenendhäuser in Sotschi nicht mehr besuchen könnten, wenn sie denn welche hätten. Umgekehrt ist das sehr wohl ein Problem: Ein großer Teil der russischen Elite hat Konten, Firmen oder Immobilien in den USA. Und für die könnte die Magnitsky-Liste wirklich ein Problem werden.

Eure Schweine bleiben draußen!
Unmittelbar nach Beschluss der Magnitsky-Liste ergriff Russland noch eine andere Maßnahme: Der Import von amerikanischem Fleisch soll eingeschränkt werden, offiziell weil es den russischen Gesundheitsstandards nicht genügt, besonders betroffen davon ist Schweinefleisch. Das hat mit der Magnitsky-Liste natürlich überhaupt nichts zu tun versichert der oberste russische Sanitäts-Beauftrage Gennadij Onnischenko. Natürlich. Genauso wenig wie das Importverbot von georgischem Wein mit den schlechten Beziehungen mit Georgien zu tun hat oder das vorübergehende Importverbot von Fleisch aus Polen mit den schlechten Beziehungen zwischen Moskau und Warschau. aber das System ist klar, siehe oben: Unsere Schweine bleiben draußen, Eure Schweine bleiben draußen!
Auch Kanada dürfte in absehbarer Zeit eine ähnliche Liste beschließen, in Europa stößt die Idee hingegen auf keine große Gegenliebe. Aus Frankreich und Großbritannien hieß es, Magnitsky stehe nicht auf der Tagesordnung. Und in Deutschland wurde vor dem Besuch von Kanzlerin Angela Merkel in Moskau Ende November zwar über eine mögliche Neuausrichtung der Beziehungen zu Russland diskutiert, substantiell geändert hat sich aber nichts. Hier eine hervorragende Analyse der Diskussion in Deutschland.
Einsatzpolizei vs. "Modernisierungspartnerschaft"
Die meisten europäischen Länder hoffen immer noch auf die „Modernisierungspartnerschaft“ mit Russland, die etwa so funktionieren soll: Durch Handel und Technologietransfer aus Europa entsteht in Russland eine prosperierende Mittelklasse die dann einen demokratischen Wandel auslösen wird. Soweit die Theorie. Laut letzten Studien umfasst die Mittelklasse in Russland bereits etwa ein Drittel der Bevölkerung. Doch wenn sie einen demokratischen Wandel einfordert, so wie letzten Winter, antwortet die Führung mit Wahlfälschungen, Manipulation der Medien und im letzten Schritt mit dem Einsatz der Sonderpolizei OMON.
In russischen Gefängnissen wird gefoltert und getötet
Die österreichische Politik will das alles nicht sehen und hofft auf eine Fortsetzung der guten Geschäfte: Der Handel mit Russland boomt und dürfte heuer einen neuen Rekordwert erreichen, auch bei der Zahl der russischen Touristen gibt es Jahr für Jahr zweistellige Zuwachsraten. Übersehen wird dabei mit wem man es dabei zu tun hat. Russland liegt in der Korruptionsstatistik von Transparency International am 154. Platz. In einem internationalen Ranking von Justiz- und Rechtssystemen landet es am 92. von 95 Plätzen. In russischen Gefängnissen und Polizeiwachen wird regelmäßig und weitgehend straflos gefoltert und getötet, wie unter anderem dieses Video aus einer Strafkolonie in Rostov zeigt, das vor zwei Wochen an die Öffentlichkeit gekommen ist (Achtung: Nichts für schwache Nerven!) Im Frühjahr haben zwei Polizisten in Kasan einen Mann, den sie zufällig festgenommen hatten, auf der Polizeiwache mit einer Champagnerflasche vergewaltigt und zu Tode gefoltert. Die beiden Polizisten wurden zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt – die Strafe ist damit nur unwesentlich höher als die für die beiden jungen Frauen der Band „Pussy Riot“ wegen ihres Putin-kritischen „Punk-Gebets“.
Österreichische Schweine sind in Russland weiter willkommen
Die prügelnden Beamten aus Rostov wurde, so heißt es, inzwischen aus dem Polizeidienst entlassen und angeklagt, welche Strafe ihnen droht ist bis jetzt unklar. In Rostov wurde übrigens einer der tschetschenischen Flüchtlinge festgenommen, die Anfang Dezember per Charterflug aus Österreich nach Russland abgeschoben wurden. Er sitzt jetzt in einem Spezialgefängnis in Grozny. Wie es ihm dort geht, will man sich besser gar nicht vorstellen. Darüber dass Österreich über ein Einreiseverbot für russische Amtsträger nachdenkt, wäre mir bis jetzt nicht bekannt. Der Export von österreichischen Schweinen nach Russland ist offenbar wichtiger.