Interview
Zukunftsmusik im Theater
playground ist ein junges Wiener Künstlerkollektiv, das sich im Spannungsfeld zwischen moderner Performance, Live Musik und Club-Atmosphäre bewegt und dabei qualitativ hochwertiges, gesellschaftskritisches Theater macht.
Euer Projekt "Playground" bezeichnet sich selbst als interdisziplinäres Künstlerkollektiv. Welche Idee steht dahinter?
Grundsätzlich versuchen wir das gute alte Sprechtheater, das sich durch handwerklich gutes Schauspiel auszeichnet mit modernen Strömungen zu verbinden: Performance, Tanz, Live-musik und Visuals nehmen wir als Elemente und bauen sie ein in ein Sprechtheaterstück, das auch narrativ funktioniert. So erzeugen wir eine Synthese verschiedener Bereiche.
Generell ist Theater natürlich immer eine Mischung aus verschiedenen Kunstformen. Dadurch, dass wir alles selbst machen, ist das bei uns sicher kompakter und die verschiedenen Bereiche gehen Hand in Hand.
"Playground" wurde auch aufgrund der prekären Berufslage für Schauspieler gegründet. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, was Eigenes zu machen?
Es ging vieles von Florian Drexler aus, der war und ist auch die treibende Kraft hinter dem ganzen Projekt. Florian hat schon in der Schauspielschule gesehen, dass er nicht mit Autoritäten umgehen kann und mit Monologen herumreist, um dann vielleicht irgendwo genommen zu werden. Es hat sich auch als richtig erwiesen. In den letzten Jahren ist die Marktlage für Schauspieler nochmal weitaus schlimmer geworden.
Glaubst du, dass die zunehmende Verschlechterung der Berufssituation mit dieser Individualisierungswelle zusammenhängt, jeder will was Kreatives machen?
Ganz eindeutig. Schon die gesellschaftliche Revolution der 60er-Jahre hat sich ausgewirkt und die Gesellschaft aus ihren Mustern geworfen. Das war natürlich ein großer Befreiungsschlag und wurde in die Erziehung eingebaut: Folge deinem Wunsch! - lautete die Devise. Das Paradoxe ist, das haben wir schon in unserem ersten Stück ein bisschen thematisiert, wie die pure neoliberale kapitalistische Kultur die gleichen Glaubenssätze herunterbetet wie die linke, alternative Gegenkultur. Weil, im Endeffekt konzentriert es sich immer auf: Wenn du es nur stark genug willst, dann kannst du es auch schaffen! Das ist zu einem Teil sicher auch richtig, aber natürlich gibt es unendlich viele Schicksale von Menschen, die versuchen etwas zu werden, sicher auch alles richtig machen, aber denen vergönnt es der Zufall nicht . Und da beginnen beide Bilder für mich zu bröckeln. Es gibt generell sehr viele Leute, die etwas Kreatives machen wollen. Man hört oft - irgendwas mit Medien machen - und mal so dahin studieren. Das ist ja auch alles schön und gut, aber wir sind gesellschaftlich eben gerade in einer absoluten Gegenteilssituation.
Wie könnt ihr euer Projekt überhaupt finanzieren?
Im Grunde... nicht wirklich. Wir haben Förderung beantragt, haben die aber nicht bekommen. Wir tasten uns Schritt für Schritt heran. Es ist hauptsächlich Selbstausbeutung, wir zahlen im Grunde fast niemandem etwas. Wir haben jedoch auf allen Positionen ausgebildete, professionnelle Leute am Werk, die das aus Begeisterung machen. Es gibt ein verbindendes Gefühl: eine Fusion aus den guten Qualitäten des Sprechtheaters, vermengt mit neuen Strömungen- das kann funktionieren. Deswegen machen viele begeisterte Leute mit.
Vielleicht sogar die Zukunft des Theaters?
Ich sehe in dem aktuellen Stück eigentlich sogar eine Art Zukunft des bürgerlichen Theaters. Eine Analyse ist, dass unsere Generation bei all dem im siebten Bezirk leben und Kreativberufe ergreifen auf eine gewisse Weise doch wieder konservativer geworden ist, so eine Art Biedermeier sich heranbahnt. Es wird dabei hauptsächlich das Glück im eigenen Heim wiedergesucht und im eigenen Einflussbereich. Dabei ist uns dieses, "was passt nicht in unserer Gesellschaft?" abhanden gekommen, weil wir alle Alternativen schon in der Vergangenheit präsentiert bekommen haben. Es gibt für alles schon das Gegenargument. Wir befinden uns jetzt in einer Remixphase. Wir würfeln alles zusammen, in unserem Weltbild, in unserem Lebensstil, in unseren Berufen und auch politisch. Eben auch was die Subkultur betrifft: jetzt aktuell der Hipster - ist natürlich kein neuer Begriff. Aufgewärmt aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in New York. Der kommt auch im Stück vor. Das ist für eine breite Masse nicht wirklich ein Begriff und er wird hauptsächlich nur als Feindbild benutzt von denen, die es eigentlich selber sind. Das finde ich recht lustig.
Du bist nicht nur der Regisseur, sondern auch der Autor von dem neuen Stück "Schopenhauers Tipp" - Worum geht es dir?
Den Schnittpunkt zwischen Schopenhauer und der Geschichte habe ich schon sehr bewusst heraus konstruiert. In seinem Hauptwerk "Die Welt als Wille und Vorstellung" geht es sehr stark um die Illusionen, die sich ein Mensch in seinem Leben macht. Ich habe mir gedacht, dass wir im Grunde mit unserer Gesellschaft in einer Illusion leben. Auch individuell glauben wir, dass wir das, was wir wollen auch einfach tun können. Als gesamtgesellschaftliches Projekt kann sich das momentan nicht ausgehen. Ich fände es schöner eine Gesellschaft zu haben, in der Kreativwirtschaft einen höheren Stellenanteil hat als zum Beispiel der Finanzsektor, aber so ist es nicht. Das wäre natürlich ein langfristiges Ziel für die Menschheit, aber momentan ist ganz klar: mit einer ganzen Generation aus Webdesignern und Secondhandkleidungsneuvernäherinnen, Schriftstellern und Schauspielern werden wir keine Erfolgsgeschichte machen.
Ist diese Botschaft nicht im Grunde genommen widersprüchlich zu eurem eigenen Projekt?
Es hat etwas Paradoxes. Das habe ich bewusst so gewählt, weil ich gedacht habe, wir müssen uns mal selber an der Nase packen. Es ist leicht, Stücke zu schreiben, worin wir uns über alle möglichen gesellschaftlichen Missstände aufregen. Doch bei alledem war es mir auch wichtig, sehr selbstkritisch zu sein. Wobei ich momentan sogar das Glück habe an den Kammerspielen als Schauspieler für ein Stück engagiert zu sein. Das erlaubt mir gerade den Freiraum, mich « Schopenhauer's Tipp » widmen zu können. Über Sponsoren und Fördermitglieder kommt auch ein bisschen was zusammen, von Projekt zu Projekt, aber ansonsten müssen wir uns wirklich aus den Ticketeinnahmen finanzieren und das geht nicht bei Theater.
Also wollt ihr grundsätzlich schon auch dazu ermutigen, solche Projekte zu verfolgen und damit vielleicht langfristig einen nahrhaften Boden für Künstler zu schaffen?
Ja. Wir versuchen herauszufinden, wie kann man Theater betreiben, auch wirtschaftlich sogar halbwegs sinnvoll, ohne dass man immer gefördert wird. Ganz klar hat diese Thematik etwas Paradoxes an sich, aber gerade deswegen gefällt es mir auch. Und das betrifft unser Publikum und uns. Das sind relevante Themen. Diese Unart, Leute zu Pseudoselbstständigen zu machen oder eben nur so als Praktikanten anzustellen, das greift um sich. Das ist inzwischen auch in den traditionellen Berufen genauso verbreitet. Das betrifft nicht mehr nur die Kreativbranche. Für Schauspieler war es ja schon immer so, wir müssen uns am wenigsten aufregen - für die meisten war das schon immer ein brotloser Job. Kunst braucht natürlich so ein bisschen dieses Brotlose, da ist Kunst ja oft auch stolz drauf. Das Problem nur ist, dass das sehr sehr viele Leute so machen...
playground bietet jungen Kreativen die Möglichkeit unter professionellen Bedingungen zu arbeiten und zu experimentieren.
playground ist. playground passiert. playground spielt.
Wir sind der Meinung, dass wir nicht einer Meinung sein müssen. In unseren Reihen finden sich Idealisten und Hedonisten. Wir spielen nicht nur miteinander sondern auch gegeneinander. Beziehen Positionen und lassen sie aufeinander krachen. Das Ergebnis spricht für sich.
Auftritte:
25.2. 2013
27.2. 2013
28.2. 2013
1.3. 2013
2.3. 2013
3.3. 2013
jeweils im Palais Kabelwerk um 20 Uhr
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