Reportage
Miet it or get cheated!
Betrüger können ohne Probleme Fake- Angebote in Web- Immobilienportale einstellen. Deutschland ist infiziert. Haben die Betrüger den österreichischen Markt erreicht?
Es klingt zu schön, um wahr zu sein: 70 m² im Glockenbach, Münchens Bar und Szene Viertel, Dachgeschoßwohnung, sanierter Altbau, von Privat. Das alles für 650 Euro. Ein Traum für jeden Studenten, Arbeitseinsteiger und Wohnungssuchenden. Die Anzeige ist gerade auf Immobilienscout.de eingestellt worden. Das muss ein absoluter Glücksgriff sein. Bloß keine Zeit verlieren, der Anbieter muss schnell kontaktiert werden. Straße und Hausnummer stehen dabei. Email Adresse auch. Eine Telefonnummer ist nicht angegeben. Wird er auf die Email antworten?
München. Der Wohnungsmarkt ist mehr als ein Problem. Für Studenten sind die Wohnungen fast unbezahlbar; 360 Bewerber für ein 15 Quadratmeter Appartement. Und das für 500 Euro. Das ist keine Seltenheit. In München ist Wohnraum knapp: die Quadratmeterpreise lagen hier im Jahr 2012 bei 14,40 Euro im Durchschnitt. Das ist eine Preissteigerung um 6 Prozent im Vergleich zu 2011. Aber die Nettomieten variieren: für eine kleinere Wohnung, 20- 40 Quadrameter, zahlt man zwischen 12 und 21 Euro. Zum Vergleich: in Wien liegt der Durschnitt der Mietwohungen bei 8,25 Euro.
- Verlockende Anzeige
Der Besitzer wirkt echt und seriös. Auf den ersten Blick
Keine zwei Stunden später landet eine Email von einem Bruno Nadewitz im Posteingang. Hotmail.com ist der Absender. Er sei der Besitzer der Wohnung, es gebe keine rechtlichen Probleme, er ist Deutscher, arbeitet seit 20 Jahren als Pharmazeut in England. Da er die Wohnung nur an verantwortungsbewusste Menschen vermieten will, möge man doch persönliche Informationen angeben. Die ersten Zweifel: Er soll Deutscher sein, schreibt aber in so gebrochenem Deutsch, dass es eher an einen Google- Translater Text erinnert. Auf die Frage nach einem Besichtigungstermin geht er nicht weiter ein. Aus seiner Sicht gibt es nur ein kleines, nicht weiter gravierendes Problem: er hält sich in England auf, doch die zu vermietende Wohnung steht im fernen München. Wie soll der Interessent die Wohnung besichtigen können?
Das Internet bietet ein riesen Feld für Betrüger. Anonymität, fehlende Transparenz, die schnelle Kaufentscheidung am PC erleichtern die illegalen Tätigkeiten. Deswegen sind gezinkte Auktionen in Kaufportalen keine Seltenheit. Wohnungsseiten bilden da keine Ausnahme. Betrüger nutzen die Wohnungsknappheit in den Ballungsräumen. Und wenn die Falle einmal zuschlägt, ist es fast immer zu spät. Auf Immobilienscout.de landen monatlich 150.000 neue Objekte. Etwa 1000 Objekte davon sind gefälschte Anzeigen, sagt Marcus Drost, Sprecher von Immobilienscout.de. Seit 2009 kämpft man mit den Betrugsfällen. Dank breiter Medienberichterstattung seien die Konsumenten in Deutschland mittlerweile sensibilisiert und die Zahl gehe zurück, so der Sprecher. Pro Monat deaktiviert Immobilienscout etwa 150 Objekte. Ob und wie viele Konsumenten da schon Opfer des Betrugs wurden, kann Drost nicht sagen.
UPS schenkt gegenseitiges Vetrauen
Am nächsten Morgen wieder eine Email vom Eigentümer. Diesmal mit detaillierter Anleitung wie die Wohnungsübergabe von statten gehen soll. Er wird die Schlüssel zur Wohnung bei dem Paketdienst UPS hinterlegen. UPS fungiert als Treuhandservice. Sobald die erste Monatsmiete sowie eine Kaution bei UPS eingegangen sind, werden die Schlüssel verschickt. Innerhalb von zwei Tagen soll die Entscheidung fallen, ob man die Wohnung nimmt. Die weitere Vertragsabwicklung läuft über UPS. Bruno Nadewitz garantiert uns so gegenseitiges Vertrauen. Man willigt ein, schickt ihm falsche persönliche Daten. Auf einmal geht alles ganz schnell: keine zehn Minuten später hat Herr Nadewitz bereits alles zum Verschicken bereitgestellt, UPS ist informiert. Tatsächlich, zwei Stunden später kommt eine Mail von UPS Parcel Delivery. Der genaue Absender ist ups.parcel.delivery@. Post.com gehört zur World.com Media Group. Diese Seite existiert bereits seit 2008 nicht mehr. Spätestens jetzt sollten die Alarmglocken läuten, dass man dabei ist, Opfer eines Betrugs zu werden. Um der Sache auf den Grund zu gehen, bleiben wir dran. post.com
Auch in Österreich verzeichnen die Portale immer mehr Beschwerden über Betrüger. Remax.at hat im November 2012 in einer Pressemiteilung bekanntgegeben, dass man nun die ersten „Abzocken“ erlebt hat. „Sie entwickeln sich zu einer wahren Plage bei Privatinseraten.“ Remax Geschäftsführer Bernhard Reikersdorfer erklärt, dass etwa 10- 15 Anrufe wegen auffälliger Wohnungsinserate eingegangen sind. Der zuständige Kriminalkommissar Alfred Kaufmann aus Graz hat schon etwa 200 derartige Fälle gezählt. Die Immobilienportale können Maßnahmen setzen: durch gewisse Filter und ständige Kontrolle. Das ist teuer; deswegen ist Betrug nie ganz auszuschließen.
Leichte Beute?
UPS bestätigt, dass Treuhandhandlungen von ihrem Unternehmen überhaupt nicht getätigt werden. Man ist schließlich nur für das Verschicken zuständig, kassiert dafür Geld. Mehr nicht. Die Email ist eine Fälschung. Bruno Nadewitz meldet sich noch am selben Tag mit einer Nachricht von dem vermeintlichen UPS- Dienst: das Geld ist noch nicht eingelangt. Es sei doch alles bereits organisiert, warum zögere man mit der Zahlung? Für ein Telefonat hat er momentan leider keine Zeit. Seine beim Paketdienst hinterlegte Absenderadresse führt in einen Londoner Vorort. 26 Northbrook Road Ilford. Was sich hinter Nummer 26 verbirgt, ein großer Busch verdeckt die Sicht. In der Northbrook Road sind zahlreiche dubios klingende Firmen angemeldet: Asia General Trading Limited, Krishi Private Limited. Schwer vorzustellen, dass in dieser Nachbarschaft ein emigrierter deutscher Pharmazeut lebt. Auch in München schafft die Recherche Klarheit. In der Maistraße 10 ist momentan gar keine Wohnung frei. Bruno Nadewitz ist nicht der Eigentümer.
- Ein Busch verdeckt die Sicht. Quelle: Google Street View
Pure Verzweiflung
Eine so erschreckend günstige Wohnung kann es in München nicht geben. Und die gibt es auch nicht. Das ist die Essenz. Aber in einer Stadt in der sich 360 Interessenten um ein Ein-Zimmer Appartement bemühen, in der perfekt ausgefüllte Bewerbungsbogen mit Gehalts- und Rücklagenangaben bei Wohnungsbesichtigungen selbstverständlich sind bringt die Verzweiflung einen dazu, das Unmögliche für möglich zu halten. In Wien ist Angebotsbetrug im Internet noch eine Seltenheit. Noch.
Auch die deutsche Polizei verzeichnet Anzeigen wegen Wohnungsbetrug im Internet. Leider ohne Erfolg. Die angegebenen Personalien stammen meist aus einer grauen Kartei und wurden schon öfter für Betrugsfälle herangezogen. Wenn sie wieder gebraucht werden, holt man sie einfach aus der Schublade. Die Proxy Server von denen die Emails versandt werden, stehen oft in den USA oder in Afrika. Die Betrügerbanden kriegen von den Ermittlern einen Namen: Nigeria-Connection. Vorsicht ist die beste Maßnahme da sind sich alle einig: vermeintliche Schnäppchen, Eigentümer aus dem Ausland und Vorrauszahlungen- eindeutige Signale für einen Wohnungsbetrug.