Portrait
Die Arena-Generation
Es geht nicht darum Unterschiede, Vor- oder Nachteile, Freiheiten oder Probleme einer Generation auszumachen. Sondern es geht um ein Ereignis, das Geschichte geschrieben hat. In Wien gab es das `68er Erlebnis nicht. Erst acht Jahre später fand statt, was heute eine Generation ausmacht: die "Arena Besetzung"
Die jüngere Bevölkerungsschicht ist ein Haufen voll "angepasster Hosenscheisser", stellt der Jugendforscher Bernhard Heinzlmeier fest. Aber eine Generation entsteht aus den Umständen der Zeit, in der sie lebt.
1968 als identitätsstiftendes Ereignis gab es in Wien nicht. Vereinzelt gab es Vorfälle, die in einem Aufbegehren gegen den Status-Quo mündeten. Aber der Massenprotest blieb vorerst aus. Zum Beispiel die „Uni- Ferkelei“: Nackt drangen Aktionisten ins NIG ein, kackten in die Ecken, beschmierten ihre Körper und die Wände mit ihren Exkrementen. Es blieb bei Einzelereignissen. Erst acht Jahre später sollte es in Wien zu einer richtigen „Freiheits-Bewegung“ kommen. Im Jahr 1976 brodelte es in der Stadt: Die Forderungen - vor allem jüngerer Menschen - nach größeren politischen und gesellschaftlichen Mitgestaltungsmöglichkeiten wurden stärker. Auch ihr Interesse an der Teilhabe an kulturellen Angeboten wurde größer. Im ehemaligen Auslandsschlachthof St. Marx fanden während der Festwochen Aufführungen statt. Die alten Industriebauten sollten nach dem Sommer abgerissen werden. Doch bis es dazu kam, bestimmte ein Ereignis das Geschehen und veränderte die Stadt nachhaltig.
Es erzählen die Zeitzeugen: Ruth Beckermann, Ingrid Karl, Dietmar Steiner und Armin Thurnher.
Die KRITIKPUNKTE haben die Besetzer noch in der ersten Nacht formuliert...
Die Forderungen stellten die Besetzer an die Stadt Wien. Kulturstadträtin Gertrude Fröhlich-Sandner war zum Dialog bereit, aber das Gebäude nicht abzureißen, hielt sie für unmöglich. Die Aktivisten fanden bei der Wiener Bevölkerung großen Zuspruch. 100.000 Menschen gingen für die Erhaltung der Arena auf die Straßen. In Wien und auch im restlichen Österreich hatte es so etwas zuvor noch nicht gegeben. Das Sommerloch in den Medien war gestopft: die Arena war das eine, große Thema.
- Quelle: Ruth Beckermann
- Quelle: Ruth Beckermann
So stark der Aufbruch in der Jugend in diesen Wochen des Sommers ´76 auch war, vielen ging es vor allem um: Spaß.
Der Ort, das Areal der Arena, war der Fixpunkt der Bewegung.
Das Gelände am alten Auslandsschlachthof galt als denkmalschutzwürdig. Eine Architekturklasse von Gustav Peichl wehrte sich schon vor der Besetzung gegen die Zerstörung. Doch das Areal war an die Bekleidungsfirma Schöps verkauft. Der Abriss und Neubau eines Modegroßcenters waren gemachte Sache. Das geht den Zeitzeugen bis heute nah:
- Quelle: E.A. Richter
- Quelle: E.A. Richter
Die Arena war voller Leben, doch im Laufe des Sommers verebbte das Interesse an der den Forderungen, die Unterstützer wurden weniger. Die Stadt Wien zielte erfolgreich auf eine Spaltung der Aktivisten. Sie schlug den Inlandsschlachthof- die heutige Arena- als Alternative vor. Basisdemokratisch dauerten die Plena-Sitzungen Stunden:
Die Diskussion im Gemeinderat und in den Plena waren erfolglos. Die Verträge mit Schöps wurden eingehalten und der Abriss beschlossen. Aber war das der Schlußpunkt der Bewegung?
Der Abriss der Rinderhallen fand Anfang Oktober statt. Unter einem groß inszenierten Trauerzug verabschiedeten sich die Anwesenden von der Arena. Auch wenn die Besetzung keinen positiven Ausgang hatte, so ist sie doch wichtiger Teil der Entwicklung der Jugendbewegung in Österreich. Kulturell und politisch ändert sich fortan etwas: Die Zwentendorf Volksabstimmung 1978 gegen die Atomenergie und die vielen Bürgerinitiativen, die entstanden, wären ohne die Arena Besetzung nicht möglich gewesen. Dass man nicht alleine mit seinen Ansichten war, hat den gesellschaftlichen Aufbruch gefördert. Genau so ist es heute noch.
Linksammlung: Generation
Zum Schluss eine Auswahl an Artikeln, die sich kontrovers mit dem Thema Generation auseinandersetzen:
Die selbstgefällige Generation
Künftige Generationen haben keine Stimmen
paroli wurde im Zuge des Schwerpunkts zitiert:
Produktion
Kamera: Basti Fehr und Yvonne Widler
Realisierung: Johanna Schwarz
Interviews
Ruth Beckermann- Filmemacherin
Ingrid Karl- Wiener Musik Galerie
Dietmar Steiner- Direktor des Architekturzentrum Wien
Armin Thurnher- Gründer des Falter