Analyse
Die Lehre des Ästhetischen Elitarismus
Im Underground hat sich eine geheimnisvolle neue Organisation gebildet. Mit sehr kontroversen Ansichten was Kunst und Gesellschaft betrifft. Die Lehre des Ästhetische Elitarismus
Diese Geschichte wäre schnell erzählt, ginge es nur um zwei Dinge: Nämlich um die Fakten, die vorliegen, sowie die Art und Weise, wie die Kommunikation stattgefunden hatte. Meine Gesprächspartner habe ich nie gesehen. Ausgedruckte Emails sind die einzigen Zeugnisse und Dokumente, die ich von dieser Organisation besitze. Denn deren Mitglieder wollten anonym bleiben. So liegen also fünf Zettel auf dem Schreibtisch und sollen als Beweis dienen. Aber als Beweis wofür? (Anm.: Klassische Floskel um Sie, den Leser, in das Thema einzuführen.)
Die Geschichte, die hier erzählt werden soll, ist eine über die Organisation 'Ring Insurgenter Künstler Elitaristischer Tendenz'. Zu Anfang sollen Zitate (aus dem Mailverkehr und deren Website) zeigen, was diese Organisation ausmacht:
„Wir propagieren den Ästhetischen Aufstand.“
„Wir vertreten die Aristokratie des Geistes, die Streitbare Kunst und die bewaffnete Ästhetik gegen eine egalitäre Gesellschaft.“
„Wir propagieren den ästhetischen Aufstand! Gegen die Feigheit und den Opportunismus! Gegen die Heerscharen des Konformismus! Gegen die Stillosigkeit der Massen! Gegen die etablierte Kaste von Kleingeistern und Visionslosen, die sich „Künstler“ und Elite nennt! Gegen all die Mutlosen und Leisetreter. Gegen die Deserteure und Verräter! Gegen den politisch-korrekten Zeitgeist. Gegen die geistigen Verwirrungen unserer Zeit! Und gegen jedweden Stillstand."
Die Gedankenwelt ist geprägt von der Vorstellung, eine Elite zu erschaffen. Ähnlich wie in Ideen Nietzsches, seine Konzepte des Übermenschen, soll sich diese Elite von der Mittelmäßigkeit der Masse erheben. Die Kultur soll gestützt werden von Visionären, kreativen Geistern, die die Schönheit als höchstes Prinzip verteidigen. Daher auch der Name der Lehre: „Ästhetischer Elitarismus“.
Mit einem demokratischen Grundverständnis haben diese Ideen nichts gemein. Es sind Vorstellungen von dem Genius, dem brillanten Künstler der Kunst um ihrer Selbstwillen erschafft. Es ist ein Kampfbund, eine Glaubensgemeinschaft gegen die Moderne. Diese habe mit der Durchlässigkeit der gesellschaftlichen Schichten dazu beigetragen, dass die Kultur Konformität gutheißt. Weil alle gleich sind, weil keine Unterschiede in den Fähigkeiten der Individuen gemacht werden, versinkt Potenzial in die Durchschnittlichkeit. Was als großes demokratisches Prinzip gilt, die Gleichheit aller Menschen, wird hier abgelehnt. Die Masse ist eines der Antagonismen. Ohne Bildung, indoktriniert von den Medien, nur auf Konsum aus. Egalität wird schlicht abgelehnt.
In ihren Texten finden sich keine politischen Forderungen, wie in Broschüren einer Partei. „Wir fordern die Reduktion der Lohnnebenkosten...“. So darf man sich das nicht vorstellen. Auf der Website des Ringes Insurgenter Künstler Elitaristischer Tendenz finden sich kurze, schwärmerische Essays über die Schönheit der Frauen, das Versinken in einen Rausch und Monografien verschiedener Vorbilder. So wie des letzten bayrischen König Ludwig des Zweiten und seines Schlosses Neuschwanstein (Zitat: „Blind muss doch die Welt heut sein! Verdammt die Jugend die solche Schätze scheut! O, du großer König! Im Leben unverstanden, im Tode allein. Ein ewig Rätsel sollst du bleiben Dir und Anderen. Wir verneigen uns!“)
Zeugnisse ihrer Kreativität blieben ebenso im Dunklen wie die Mitglieder des Ringes. Ich habe leider keine ihrer Kunstwerke gesehen, um zu verstehen, wie ihre Kunst aussieht. Und wie es ist, wenn ihre Vorstellungen in solche geformt werden. Vor einiger Zeit haben sie Plakate mit einem Kampfaufruf in der Nähe der Universität Wien angebracht. Ein erster Schritt in die Öffentlichkeit.