Reportage

Kultur zum Scannen

Klagenfurt ist nicht unbedingt für sein breites kulturelles Angebot bekannt. Es fehlt an einer städtischen Bibliothek und die „Tage der deutschsprachigen Literatur“, der Bachmann-Preis, sind eines der wenigen Highlights im Jahr. Seit über einem Jahr verbessern kleine gelbe Sticker allerdings die Situation


In der Klagenfurter Innenstadt befindet sich die Mießtalerstraße und diese ist, ausgenommen für Busse, nur in eine Richtung befahrbar. Linker Hand steht das große Verwaltungsgebäude der Landesregierung. Rechter Hand findet man eine Bushaltestelle der Stadtwerke, an der sich gerne die Obdach- und Arbeitslosen der Stadt treffen und ihr Bier trinken. Diese machen bereitwillig Platz, damit man einen kleinen aber recht auffälligen gelben Sticker besser betrachten kann. Darauf befindet sich ein schwarzes Kreuz und die Aufschrift „Handy hier auflegen“. 120 solcher Aufkleber lassen sich bei weiterer Suche in der ganzen Stadt finden – an Bushaltestellen, vor Supermärkten und im Eingangsbereich von Lokalen. 

Am Anfang war die Idee

„Bei ein paar Bier haben Georg Holzer und ich beschlossen, dass Klagenfurt eine Stadtbibliothek braucht und dass wir sie machen“, erzählt Bruno Hautzenberger, Mitbegründer und Programmierer von „Projekt Ingeborg“. Deshalb brachten sie überall in der Stadt 70 Sticker an und versahen sie mit NFC-Tags und QR-Codes. Am 2. Juli, zeitgleich mit dem Beginn der „Tage der deutschsprachigen Kultur“, starteten sie ihr Netzkulturprojekt. Hinter den Tags und Codes befanden sich zu diesem Zeitpunkt 70 verschiedene E-Books von lizenzfreien Werken aus dem „Projekt Gutenberg“. Die Werke hatten dabei vielfach Bezug zum jeweiligen Ort. So gab es Shakespears „Sommernachtstraum“ nahe dem Strandbad am Wörthersee zu finden oder „Die Mörder“ von Arthur Schnitzler befand sich unweit der Bundespolizeidirektion.

  • (c) Projekt Ingeborg

Wandel der Zeit

Vor einer Buchhandlung in der Kramergasse, mit Blick Richtung Lindwurm, legt eine junge Frau ihr Smartphone auf den gelben Sticker auf und scannt den QR-Code unter Zuhilfenahme einer App. Es lädt sich allerdings kein E-Book über das rätselhafte Sagenwesen auf ihr Endgerät sondern der Song „Cherish The Day“ der Klagenfurter Band „Zero Deniro“. „Wir haben uns bald dazu entschieden, dass wir mit unserem Projekt heimische Künstler unterstützen und einem breiteren Publikum zugänglich machen wollen“, erklärt Hautzenberger. Jede Woche wird ein neuer Künstler mittels der 120 Aufkleber vorgestellt. Dabei reicht die Bandbreite von bildenden Künstlern über Autoren bis zu Musikern und alle haben einen engen Bezug zur Stadt Klagenfurt, sind also hier geboren, aufgewachsen oder leben hier. Die Präsentierten sind nicht immer zwangsläufig Newcomer und unbekannt, auch arrivierte Kunstschaffende wie die Band „Naked Lunch“ oder der Fotograf Martin Steinthaler stellten bereits ihre Werke zur Verfügung.

Zahlen und Fakten

Seit dem Start von „Projekt Ingeborg“ gab es in Klagenfurt bereits über 3.700 Downloads. „An Spitzentagen waren es bis zu 120. Jetzt halten wir bei durchschnittlich acht pro Tag, was für eine Stadt dieser Größe recht ansehnlich ist“, sagt der Programmierer. Legt man es auf die Einwohnerzahl um, bedeutet das, dass auf einen Download ungefähr 27 Klagenfurter kommen. Mittlerweile wir das Vorhaben in zwei weiteren Städten betrieben. In Villach und Graz betreuen allerdings nicht die Gründer das Projekt. „Weil das Ganze auf einer OpenSource-Software basiert, ist es möglich, dass viele Menschen es uns gleich tun und ‚Projekt Ingeborg’ in ihrer Stadt verwirklichen“, freuen sich die Gründer. Unterstützung bei der Umsetzung wird von den Klagenfurter Entwicklern garantiert. In Wien befindet man sich gerade in der Testphase und auch mit interessierten Leuten aus deutschen Städten tauscht man sich aus.

Ingeborg ist nicht das Ende

Für Hautzenberger ist „Projekt Ingeborg“ aber nur eine der vielen Möglichkeiten, die sich mittels NFC- und QR-Technologie umsetzen lassen. „Wir machen ja kein Geld damit, dass wollen wir auch gar nicht, aber natürlich gäbe es genug Bereiche, in denen sich mit der aufgebauten Struktur auch etwas verdienen lassen würde“, sagt er. Für Kultureinrichtungen und Tourismusgebiete könnte es eine günstige Art sein, um Besuchern bzw. Kunden Informationen einfach und schnell auf ihren mobilen Endgeräten zu präsentieren.


  • (c) Projekt Ingeborg