aus dem Sinn

Eine Parallelwelt im Internet

Wikileaks war erst der Anfang. Whistleblower Edward Snowden hat der Welt gezeigt, dass Behörden und Geheimdienste im Internet wie in einem offenen Buch lesen können. Verschlüsselungsprogramme werden – kein Wunder- wichtiger als Facebook. Anonyme Kommunikation existiert schon seit den Pionieren des Internets. 1996 noch ein einzelner Code, heute eine Parallelwelt im Internet: das TOR- Netz.


1996

1998

2002

2004

2005

2013

3. Oktober 

November

An der Cambridge Universität fand im Juni 1996 die erste Information Hiding Conference statt. Die Internet- Datenschützer der ersten Stunde. Sie diskutierten wie Information im Internet unbemerkt bleiben kann. Das Prinzip Onion Routing kam auf. Wie bei einer Zwiebel sollen die Daten nicht direkt von A nach B geschickt werden, sondern mehrere Schichten (nodes=Knoten) durchlaufen. So weiß B nicht wer A ist, weil die Information durch viele Schleusen geführt wird. Umso mehr Knoten existieren, desto sicherer ist die Verbindung. Das heißt aber auch, dass umso mehr Teilnehmer sich an dem Verschlüsseln beteiligen. Das TOR-Netz war geboren, wenn auch unter anderem Namen. Die Forscher beschreiben dies Phase als TOR-Netz Generation 0.

Das Onion Routing Prinzip nimmt immer mehr Gestalt an.  Die Forscher finden Möglichkeiten immer mehr Netzwerke einzubinden: 1998 gibt es Proxies für FTP, SMTP, HTTP, Telnet und viele mehr. Die Basis- Funktionen laufen. Bloß öffentlich zugänglich sind die Vorläufer des TOR- Netzwerkes noch nicht. 1999  schreibt das Trendmagazin Wired erstmals über Sicherheits- Lecks im Netz und wie man sie stopfen kann. Vier Programme wurden genau unter die Lupe genommen, die Redakteure kommen zu dem Schluss: keines von Ihnen überzeugt. Neben dem TOR Vorläufer waren die anderen Versuchs- Programme: Anonymizer (existiert noch heute). Die Entwickler haben Anonymizer Software zum Beispiel nach China verkauft. Aixs- auch das existiert heute noch. Lediglich das System Lucas Personalized Web Assistance gibt es bereits seit Anfang 2000 nicht mehr. 

Die technologischen Fortschritte schreiten immer schneller voran, was auch den Entwicklern des TOR-Netz das Leben vereinfacht.  Man denkt über Sicherheitssysteme für das sichere Surfen nach. Zum Beispiel werden identische Knoten nun verdoppelt, so ist beim Ausfall ein Backup da ist. Der Cambridge Student Matej Pfajfar schreibt 2002 seine Bachelorarbeit über Onion Routing. Er entwirft den Original Code auf dem sich das TOR- Netz begründet. Generation 2 des TOR- Netz ist geboren. Von einer Veröffentlichung ist man aber noch weit entfernt. Sicheres Surfen ist nun möglich, doch auch diese Verschlüsselungstechniken sind nicht unhackbar. Aber: ein Hochleistungsrechner braucht auf jeden Fall viel Zeit, dahinter zu kommen. 

Die Köpfe hinter TOR

Einer der Pioniere der Parallelwelt im Internet ist Roger Dingledine. Er ist noch heute Hauptakteur des TOR- Projekts und spricht als Dozent an Universitäten auf der ganzen Welt. Er hat die Free Haven Organisation ins Leben gerufen, die sich mit der Anonymität und den sicheren Umgang mit persönlichen Daten im Internet befasst. Außerdem ist der Mathematiker Paul Syverson ein wichtiges Gründungsmitglied. Er arbeitet im Auftrag des Naval Research Laboratory. Die US- Regierungsorganisation betreibt wissenschaftliche Forschung im großen Stil. Die Navy hat sich bei der Entwicklung des Onion Routings stark beteiligt: die sicheren Datenverbindungen sollten zu Beginn vor allem der Kommunikation der Regierung dienen. Gleichzeitig hat sich das Free Haven Project von Anfang an für die Sicherheit des ordinären Users eingesetzt. 2004 war es dann soweit: TOR- Netz war gegründet.  Das Prozedere für den normalen User ist simpel. Einmal die Software installiert, surft man bereits anonym. Man hat einen Browser, wie Firefox, sucht via google und besucht alle Seiten, wie normal auch. Man hinterlässt zwar Spuren, doch die verwischen. Da die Information nicht direkt vom Sender zum Empfänger geht. Auch jetzt steht im TOR-Netz schon vieles mehr zur Verfügung. Sofort entwickelt sich das Netz zum perfekten Nährboden für einen Schwarzmarkt.

 

Fünf Kontinente

Auch die großen Medien nehmen Notiz von dem unbekannten Netz. In Deutschland befasst sich 2005 ein Artikel auf heise.de damit: Der Autor schreibt vom „kafkaesken Schwinden der Anonymität“. Er prangert die Verfügbarkeit von Online- Dossiers über Nutzer an und führt ein Interview mit TOR-Gründer Dingledine. Roger Dingledine hingegen steht der Entwicklung positiv gegenüber. Vor allem Unternehmen machen sich die zweite Welt im Internet zu Eigen. Google gehört zu den ersten großen Kunden. Schon jetzt verbuchen die TOR-Macher 5- 10 Megabyte Traffic pro Sekunde.  2005 existieren 160 Knoten auf fünf Kontinenten. Das Netzt wächst und wächst. Immer mehr User weltweit fühlen sich unbeobachtet im Tornetz und stoßen auf Verständnis auch bei sehr unschönen Phantasien. So ist das mit den digitalen Erfindungen der heutigen Zeit. Sie bieten allen Menschen mehr Freiheit. Die Forscher schreiben lediglich die Programme. Was die Menschen damit anfangen, müssen sie selbst wissen. 

Heute

Heute nutzen nicht nur Unternehmen Verschlüsselungssoftwares. Das Anwendungsgebiet ist sehr breit: Journalisten kommunizieren mit Whistleblowern, Wikileaks nutzt TOR schon seit Jahren. Private User wollen ihre Webseiten vor Durchsuchungen schützen. Da bietet TOR den viel beschworenen rechtsfreien Raum im Internet. Im sogenannten Darknet sind Waffen, Drogen und neue Identitäten nur einen Mausklick entfernt. Das Darknet ist um ein Vielfaches größer als das World Wide Web und es kann nicht über reguläre Suchmaschinen aufgerufen werden. Das Darknet, oder auch Deepweb, bietet eine verstörende Bandbreite krimineller Angebote, die auf Portalen, die genauso aussehen wie Ebay, Amazon und Co zu finden sind. Einmal im Tor- Netz Browser angekommen ist das Hidden Wiki nur einen Adresse weit entfernt. Den Weg dahin kann man in Foren in- und außerhalb des TOR- Netzes finden. Das Hidden Wiki bietet Orientierung in einer teils verstörenden Welt: hier wird gezielt auf pädophile Seiten hingewiesen, Erotik Seiten, die etwas mit Tieren zu tun haben, sind nur einen Klick entfernt. Die TOR- User können sich in hunderten Foren über die unzähligen Möglichkeiten austauschen. Kostenpflichtiges, zum Beispiel Drogen, werden mit Bitcoins bezahlt, einer imaginären Währung. Diese Bitcoins kann man zum Beispiel bei Amazon kaufen. Über ähnliche Verschlüsselungstaktiken wie das Onion Routing bleiben auch hier Käufer und Verkäufer anonym. Meistens. Denn das Schattenwelt- Paradies hat Risse bekommen.

  • Orientierung stiftet im TOR Netz Vidalia
  • Nicht Wikipedia, sondern das Hidden Wiki
  • Wie bei ebay, bloß hier gibt´s Drogen
  • Unglaublich, was man hier alles findet
  • Die Organisation von TOR Gründer Dingledone

Einen der vielen Handelsplätze, die sogenannte „Silk Road“, hat das FBI am 1. Oktober abgeschaltet. Die „Silk Road“ war der berüchtigtste Marktplatz für Illegales. Dort gab es Drogen, Pässe, Kreditkartendaten, ja sogar Auftragsmörder konnte man dort buchen. Bezahlt wurde mit Bitcoins, ein persönlicher Kontakt fand nicht statt. Der mutmaßliche Betreiber ein 29-Jähriger wurde in San Francisco festgenommen. Kanadische Behörden haben ein Paket mit gefälschten Ausweisdokumenten entdeckt, dass an den Betreiber adressiert war. Die amerikanischen Beamten haben außerdem Bitcoins im Wert von über zwei Millionen Euro sichergestellt. Das Darknet existiert weiter. Aber ein großer Schlag gegen Internetkriminalität ist gelungen.

Das sichere Surfen, der Grundansatz warum TOR gegründet wurde, geht munter weiter. Ein Autor des Projekts, Mike Perry, schreibt auf der TOR Seite, wie man TOR Knoten sicher betreiben kann. So solle man den Provider auf jeden Fall über das Vorhaben informieren. In Österreich sei eine gute Adresse UPC. Den Anbietern sei es absolut egal, was die Kunden so treiben, so Perry.


Fact-Box

1996 erste Hiding Information Konferenz

2002 TOR- Vorläufer entwickeln sich

2004 TOR wird hauptsächlich von Unternehmen und der US Navy genutzt

Oktober 2013 Die Silk Road wird geschlossen

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