Paroli
Ein Bild mit Bill
Man macht ein eigentlich banales Foto, das plötzlich zum Boulevardfaktor wird. Am Anfang ist es noch ganz witzig, dann wird es einem irgendwann zu viel. Wie Bill Clinton mich in die Medien brachte – und ich ihn
Hätte ich mich am Mittwoch Nachmittag nicht gefragt, warum da drei Herren mit langen Mänteln und Stöpseln im Ohr vor dem Starbucks in der Innenstadt stehen, hätte ich nicht so viel Zeit gehabt bei der nächsten Bushaltestelle auszusteigen und wäre ich letztlich nicht so neugierig gewesen auch noch in den Laden hineinzugehen, dann hätte ich mir einen Haufen Ärger erspart. Andererseits hätte ich dann auch nicht Bill Clinton gesehen. Pro forma habe ich dort einen Doughnut gekauft und stand mit einem Fuß schon vor der Tür, wenn da nicht einige Studenten hinter mir gestanden und emsig den Ex-Präsidenten nach einem Foto gefragt hätten.
Clinton wollte eigentlich nur seinen Kaffee trinken, aber das ist wohl der Preis, den man zahlt, wenn man einmal der mächtigste Mann der Welt gewesen ist. Ich nehme meinen Mut zusammen und bitte auch um ein Bild. Clinton lächelt routiniert, während ich vor Nervosität ein bisserl steif wirke. Dann will der Präsident gehen. Mich hält auch nichts mehr. Entstanden war ein Beutestück, ein Gustoschmanckerl, ein Souvenier für facebook.
Doch das Bild bekommt einen zusätzlichen Informationswert: Clinton hätte offenbar wo anders sein und dort eine Rede halten sollen und ganz Wien fragte sich, wo er denn abgeblieben ist. Plötzlich habe ich ein journalistisches Beweismittel auf meiner Pinnwand. Die Presse ruft auf, Schnappschüsse zu posten, dazu lasse ich mich hinreißen. Warum auch nicht? Immerhin habe ich Waldo gefunden. Von paroli kommt der Vorschlag, das Bild zu veröffentlichen. Ja gut, ein naheliegender nächster Schritt. Auf Twitter wird bald die dort zahlreich vertretene Journalisten-Community darauf aufmerksam.
Die Presse schreibt in ihrem Online-Artikel, man habe den fugitiven Festredner im Starbucks beim Michaelerplatz gesichtet. Der Kurier ist weniger zimperlich und veröffentlicht gleich einen Screenshot des paroli-Tweets samt Foto. Und weil dem Boulevardblatt Österreich so etwas niemals entgehen darf, fragt eine Society-Reporterin via Email an, ob es möglich sei, das Bild abzudrucken.
Spätestens jetzt ist mir die Sache unangenehm. Ich sehe schon mein Bild in der Gratispostillie, neben einem gefälligen Media-Markt-Eröffnungsbericht und einer reißerischen Reportage über einen Mord im Gemeindebau. Nein, mit Österreich, einem Medium, das einen Live-Ticker von einer Kinderbeerdigung einrichtet, will ich im Leben nichts zu tun haben. Ich schreibe das der Dame von der Society-Redaktion, bestimmt stelle ich klar, dass sie unter keinen Umständen das Bild veröffentlichen darf. Nun gut, in der Eile entstand ein Dativ-Akkusativ-Fehler, das müssen auch die von Österreich verstehen.
Und tatsächlich, man werde meine Wünsche respektieren, heißt es zunächst. Ich solle nur warten, meint ein paroli-Kollege, die würden das Foto trotzdem bringen. Irgendwie glaube ich das da noch nicht. Immerhin ist ein Wort ein Wort, sogar wenn es aus der Redaktion von Wolfgang Fellner kommt - wie naiv von mir. Tatsächlich finde ich mich am nächsten Tag in der Printausgabe auf den Society-Seiten. Mein Gesicht hat man unkenntlich gemacht, das sieht man bei Österreich wahrscheinlich als entgegenkommend an. "Das war dann wohl ein Missverständnis", wird sie später am Telefon sagen auf die Frage, was sie an einem ausdrücklichem Druckverbot des Bildes nicht verstehe. Sie werde den Fall "mit irgendeinem Kollegen" besprechen und zurückrufen. Geklingelt hat bisher nichts, außer der Groschen in ihrem Kopf, der bei den Worten "Urheberrecht" und "Recht am eigenen Bild" tief gefallen sein muss.

Würde ich das Foto nochmal machen? Wann trifft man schon einmal Bill Clinton ohne dafür ein paar hunderttausend Euro abzulegen? Wahrscheinlich würde ich ihn nochmal fragen und dann damit auf facebook angeben, wie es sich gehört. Auf die 15 Minuten Pseudoruhm in den heimischen Medien hätte ich aber gut und gern verzichten können. Irgendwie tut es mir auch leid, Bill Clinton mit hineingezogen zu haben, aber er hat ja schon Schlimmeres erlebt.