Sarajewo

Der Schurke von Šurkovac

Er hat das Auftreten eines Popstars, hetzt gegen Yoga, Buddha und Pokemon. Wenn Pater Ivo Pavić zur Messe ruft, brechen Gläubige zusammen


Sonntag , 11 Uhr in Šurkovac , Nordwest-Bosnien . Der kleine Goran kriecht unter die kirchlichen Holzbänke und spielt Verstecken. Als die Eltern den Vierjährigen kurz aus den Augen verlieren, ist er schon zwei Reihen nach hinten gerobbt und staunt mit großen Augen. Eine Frau, Mitte 50, liegt regungslos da, die Arme überkreuzt und an die Schultern gelegt. Ihr Körper zuckt im Takt der Rede. Immer wenn aus dem Mikrofon Wortfetzen fliegen, spannt die Frau ihren Körper an, murmelt Unverständliches, scheint wie in Trance zu sein. Eine zweite Frau, Mitte 20, sackt zusammen. Theatralisch streckt sie einen Arm aus, während der zweite auf ihrem Herzen liegt. Die betende Menge hilft den Frauen nicht. Zu stark sind die Gläubigen von den Parolen des Wunderheilers Ivo Pavić gefesselt.

Gegen Yoga und Pokemon

Ganz vorne steht er. Der Prediger von Šurkovac – angeblich ein Wunderheiler. Für die einen ist er ein Verrückter, die anderen sehen einen Teufelsaustreiber in ihm. Im Stile eines Popstars heizt er den Besuchern der Sonntagsmesse in Šurkovac ein: „Horoskope und Kartenleger – Wir lehnen sie ab“, brüllen ihm die Besucher wie im Chor nach. „Pokemon und Yoga. – Wir lehnen es ab! Krebs, Tumore und Arthritis. Wir lehnen es ab“, schallt es wieder durch die heilige Halle. Die Stimmung ist am Kochen und die Messe hat den Charakter eines Sektentreffens.


Maria statt Buddha

Die Pilger haben wieder Platz genommen. Pater Pavić senkt seine Stimme und fängt mit einer Geschichte an. Selbst der verspielte Goran hält für kurze Zeit still. „Ich wurde einmal zu einem Ehepaar eingeladen, das nur gestritten hat.“ – Stille. „Ihre Ehe war am Ende, obwohl sie verliebt ineinander waren.“ – Wieder ist kein Laut zu vernehmen. „Ich besuchte sie zu Hause und entdeckte mitten im Wohnzimmer eine riesige Buddha-Statue!“ Schock, Raunen und Empörung im Saal. Pavić fährt fort: „Sofort war alles klar. Ich habe dafür gesorgt, dass der Buddha verschwindet und durch eine Marienstatue ersetzt wird. Mit dem Buddha verschwand auch die Ehekrise.“ Das Publikum nickt zustimmend.

Sex für Jesus

Pater Pavić erzählt weiter: „Im Christentum ist eine Frau verpflichtet, ihre Aufgaben im Bett zu erledigen.“ Und wenn die Frau das anders sieht? Dann ruft Mann am besten Pater Pavić. „Ein Mann bat mich um Rat, weil seine jüngere Frau keinen Sex mit ihm haben wollte. Daraufhin suchte ich das Gespräch mit der spröden Ehefrau. Sie gelobte in Zukunft brav ihren sexuellen Verpflichtungen nachzukommen.“ Das Publikum atmet auf, der Pater grinst und ruft hinaus: „So ist das Christentum.“ Wie Pavić dieses sexuelle Wunder vollbrachte? Das bleibt sein Geheimnis und wird auch von den Gläubigen nicht hinterfragt.


Krebs ist Sünde

Islam und Buddhismus werden von Pater Pavić in seinen Predigten genauso als Sünde bezeichnet wie Popmusik, Yoga, Bioenergie und selbst die Kult-Kinderserie „Pokemon“. Im Gespräch gibt sich der Hobby-Ehe-Therapeut aber liberal. „Das haben Sie falsch verstanden. Ich habe lediglich vor den Gefahren des Okkultismus und der Esoterik gewarnt.“ Man dürfe halt nicht vergessen, dass „der Teufel viele Menschen mit schlechten Dingen zu verführen versucht.“ Selbst Krebskranke werden von Pavić in seinen Predigten nicht verschont. „Im Katechismus der katholischen Kirche steht geschrieben: Sünde ist die Ursache für Krankheit. Wenn Krebs von Sünden ausgelöst wird, dann ist nur Jesus Christus das Gegenmittel. Wir müssen uns ihm zuwenden, um Vergebung und Genesung bitten.“

„Du wirst mein Priester sein!“

Ivo Pavić wurde 1965 in Tišina, Kroatien geboren. Als Teenager glaubte er an nichts und niemanden. Bis er 24 Jahre alt wurde und angeblich die Stimme des Herrn hörte. „Du wirst  mein Priester sein“, hatte Gott dem damaligen Fabrikarbeiter mitgegeben. 1997 wurde der frühere Atheist in Sarajevo zum Priester geweiht. Im Dienste der „Neuevangelisierung“ tourte er durch Ex-Jugoslawien, Österreich, die Schweiz, Deutschland, Italien und sogar die USA. 2009 wurde Pavić dann zum Priester von Šurkovac ernannt. Seitdem häufen sich Berichte in bosnischen und kroatischen Medien über seine angeblich heilenden Kräfte und seine Kunst, Menschen vom Teufel zu befreien.


Das neue Medjugorje

Die „Wundertaten“ des Pater Pavić werden im Ort gerne gesehen. Gerne würden findige Geschäftemacher im winzigen Ort dem großen Bruder in Medjugorje die Pilger abspenstig machen. Der Wallfahrtsort im Süden des Landes ist bekannt für die Marienerscheinung und lockt jährlich tausende Gläubige in die Herzegowina. Dass die Marienerscheinung vom Vatikan nicht anerkannt wurde, gerät zur Randnotiz. Während der Sonntagsmesse in Šurkovac scheint sich auch kaum jemand um Fakten zu kümmern. Nur der kleine Goran hat inzwischen die Geduld verloren, er quengelt und stört die Messe. Vorne am Altar lässt sich Pavić nicht bremsen. Wieder stürzt eine Frau zu Boden. Beim Versuch diese ungewöhnliche Szene zu dokumentieren, fällt unser Fotograf auf und wir werden aus der Kirche rausgeschmissen. Ungeachtet des Zwischenfalls predigt der Schurke von Šurkovac während unseres Abgangs weiter. Gegen Hexen, gegen Kommunismus, gegen Krebs, gegen Technomusik, gegen Videospiele, gegen Pokemon… Amen!

  • © Marko Mestrovic


  • © Marko Mestrovic

Dieser Text ist außerdem in der Print-Ausgabe des biber Magazins und auf dasbiber.at erschienen.